Mandanteninformation 04/2023
Im Juni 2023 ist die EU-Entwaldungsverordnung in Kraft getreten. Ab Dezember 2024 müssen betroffene Unternehmen neue (Sorgfalts-)Pflichten erfüllen, um sicherzustellen, dass ihre Lieferketten entwaldungsfrei sind. Die Regeln gelten nicht nur für Holz, sondern auch für viele andere Rohstoffe und Produkte, wobei es für die Anwendbarkeit der Verordnung nicht darauf ankommt, ob die Erzeugung innerhalb oder außerhalb der EU erfolgt. Zudem treffen die neuen Pflichten nicht allein erstmalige Inverkehrbringer, sondern auch weitere Händler entlang der Lieferkette.
Die Verordnung (EU) 2023/1115 (EU-Entwaldungsverordnung, EU Deforestation Regulation, kurz: EUDR) ist am 29. Juni 2023 in Kraft getreten. Sie wird ab Dezember 2024 die EU-Holzhandelsverordnung ablösen. Neben Holz umfasst der Anwendungsbereich der EUDR auch andere Rohstoffe wie Kaffee, Ölpalmen, Kautschuk oder Soja. Betroffen sind aber nicht nur diese Rohstoffe selbst, sondern auch sie enthaltende oder unter ihrer Verwendung hergestellte Erzeugnisse wie etwa Rindfleisch, Schokolade oder Papierprodukte.
Die EUDR verbietet das Inverkehrbringen der betroffenen Produkte, wenn nicht drei Voraussetzungen erfüllt sind: Erstens müssen die Produkte entwaldungsfrei sein. Zweitens müssen sie rechtmäßig – also den gesetzlichen Vorgaben des Erzeugerlandes gemäß – erzeugt worden sein. Drittens muss eine Sorgfaltserklärung vorliegen
Um nachzuweisen, dass Produkte diesen Anforderungen entsprechen, haben Unternehmen vor dem Inverkehrbringen bestimmte Sorgfaltspflichten (due diligence) zu erfüllen. Sie haben außerdem eine Sorgfaltspflichtregelung (due diligence system) einzuführen und den Behörden vor dem Inverkehrbringen eine Sorgfaltserklärung (due diligence statement) zu übermitteln.
Welche Unternehmen sind betroffen?
Die Verpflichtungen der EUDR treffen in erster Linie „Marktteilnehmer“. Das sind Personen, die in gewerblichem Rahmen betroffene Produkte (erstmals) in Verkehr bringen oder aus der EU ausführen.
Die Vorschriften der EUDR finden aber auch auf „Händler“ Anwendung –also auf jede weitere Person in der Lieferkette, die die betroffenen Erzeugnisse in gewerblichem Rahmen abgibt. Ab einer bestimmten Unternehmensgröße (gemessen an Bilanzsumme, Nettoumsatzerlös und Beschäftigtenzahl) gelten für Händler die gleichen Pflichten wie für Marktteilnehmer. Nur für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sind Erleichterungen vorgesehen. Für Nicht-KMU ist es also unerheblich, ob sie betroffene Produkte erstmals in Verkehr bringen oder diese später in der Handelskette abgeben. In beiden Fällen treffen sie die Verpflichtungen der EUDR.
Verpflichtet werden übrigens nicht nur Unternehmen, die Produkte von außerhalb der EU beziehen. Für die Anwendbarkeit der EUDR ist es irrelevant, ob die Produkte aus Deutschland, einem anderen EU-Mitgliedstaat oder einem Drittstaat stammen. Allerdings wird die EU-Kommission bis Dezember 2024 eine Einstufung von Ländern in drei Risikokategorien vornehmen (country benchmarking system). Für Produkte aus Ländern mit geringem Risiko gilt dann unter bestimmten Voraussetzungen (nur) eine vereinfachte Sorgfaltspflicht.
Die neue Sorgfaltspflicht
Die Sorgfaltspflicht dient dem Nachweis, dass betroffene Produkte den Anforderungen der EUDR – Entwaldungsfreiheit und Rechtmäßigkeit – entsprechen. Betroffene Unternehmen müssen Informationen sammeln, Risiken bewerten und diese ggf. minimieren.
Zunächst sind betroffene Unternehmen verpflichtet, Informationen, Unterlagen und Daten zu sammeln, aus denen hervorgeht, dass die Produkte entwaldungsfrei sind und rechtmäßig erzeugt wurden. Die EUDR enthält einen umfangreichen Katalog der einzuholenden Informationen: Darunter fallen Angaben zum Produkt (Beschreibung, Menge, Erzeugerland, exakte Geolokalisierung des Grundstücks der Rohstofferzeugung), zu Lieferanten, Abnehmern und überprüfbare Informationen zur Entwaldungsfreiheit sowie zur Rechtmäßigkeit. Die Informationen sind fünf Jahre lang aufzubewahren und Behörden auf Verlangen vorzulegen. Hier sind keinerlei Erleichterungen für Produkte aus Ländern mit geringem Risiko vorgesehen. Die Informationsanforderungen sind also für Produkte aus allen Ländern stets zu erfüllen.
Auf der nächsten Stufe müssen Unternehmen auf der Grundlage der gesammelten Informationen eine Risikobewertung durchführen, um festzustellen, ob eine Gefahr besteht, dass die Produkte nicht entwaldungsfrei und rechtmäßig sind. Die EUDR gibt bestimmte Kriterien für diese Bewertung vor, darunter etwa die Präsenz von Wäldern oder indigenen Völkern im Erzeugerland, die Komplexität der Lieferkette oder das Risiko der Vermischung mit Produkten unbekannten Ursprungs. Die Risikobewertungen sind zu dokumentieren und jährlich zu überprüfen. Es muss der Nachweis geführt werden können, wie die Risikoermittlung erfolgt ist.
In Fällen, in denen die Risikobewertung ergibt, dass für ein Produkt mehr als nur ein vernachlässigbares Risiko der Nichtkonformität besteht, sind Verfahren und Maßnahmen zur Risikominderung anzuwenden. Auch müssen Unternehmen angemessene und verhältnismäßige Strategien, Kontrollen und Verfahren zur Risikominderung einrichten. Dazu zählen z.B. Modellverfahren für Risikomanagement und Berichterstattung. Für Nicht-KMU ist zudem ein Compliance-Beauftragter zu benennen und eine unabhängige Prüfstelle zu beauftragen. Auch hinsichtlich der Risikominderung besteht eine Dokumentations‑, Überprüfungs- und Nachweispflicht.
Die Pflicht zur Risikobewertung und Risikominderung kann entfallen, wenn alle Produkte aus Ländern mit geringem Risiko stammen. Allerdings muss der Nachweis geführt werden können, dass das Risiko einer Umgehung der Verordnung oder der Vermischung mit anderen Erzeugnissen zu vernachlässigen ist. Welche Länder von dieser Privilegierung erfasst werden, ist von der EU-Kommission bis zum 30. Dezember 2024 festzulegen.
Das Due-Diligence-System
Betroffene Unternehmen müssen zudem eine sog. Sorgfaltspflichtregelung einführen. Gemeint ist ein Due-Diligence-System, also ein „Rahmen von Verfahren und Maßnahmen“, um sicherzustellen, dass die abgegebenen Produkte entwaldungsfrei und rechtmäßig sind. Dieses System ist jährlich zu überprüfen. Für Nicht-KMU besteht außerdem eine Pflicht der jährlichen öffentlichen Berichterstattung über ihr System.
Sorgfaltspflichterklärungen
Das Inverkehrbringen betroffener Produkte setzt neben der Erfüllung der materiellen Vorgaben – entwaldungsfrei und rechtmäßig – auch das Vorliegen einer Sorgfaltserklärung voraus. Diese muss unter anderem Angaben zum Unternehmen selbst, zu Art und Menge des Erzeugnisses, zum Erzeugerland sowie zur Geolokalisierung der Grundstücke enthalten. Vor dem Inverkehrbringen eines Erzeugnisses muss die Sorgfaltserklärung den Behörden über ein Informationssystem elektronisch übermittelt werden. Die Referenznummer der übermittelten Sorgfaltserklärung ist auch den Abnehmern der Erzeugnisse entlang der nachgelagerten Lieferkette mitzuteilen.
Nicht-KMU müssen selbst dann Sorgfaltserklärungen gegenüber den Behörden abgeben, wenn zuvor schon ein anderer Marktteilnehmer (also etwa ein Erzeuger oder Lieferant in der vorgelagerten Lieferkette) eine Sorgfaltserklärung für das Produkt übermittelt hat. Sie können aber unter bestimmten Voraussetzungen auf solche bereits übermittelten Erklärungen verweisen.
Was ist zu tun?
Für kleine Unternehmen gelten die neuen Pflichten ab dem 30. Juni 2025, für mittlere und große Unternehmen schon ab dem 30. Dezember 2024.
Unternehmen sollten zeitnah prüfen, ob sie durch den Umgang mit betroffenen Rohstoffen oder Erzeugnissen zum (weiten) Adressatenkreis der neuen Verordnung gehören. In diesem Fall sollten sie ihre Prozesse analysieren und die notwendigen Sorgfaltspflichten und ‑systeme zur Informationsbeschaffung, Risikobewertung und ‑minderung implementieren. Neben den Informationsprozessen im Unternehmen und in der Lieferkette können dabei auch operative Prozesse in den Blick zu nehmen sein. So können etwa Vermischungen entlang der Handelskette die Erfüllung der Sorgfaltspflicht im Hinblick auf die gebotene Geolokalisierung der Erzeugungsgrundstücke erschweren. Durch eine rechtzeitige Analyse und ggf. Anpassung kann möglichen Sanktionen wie Vertriebsverboten oder Geldbußen vorgebeugt werden.
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