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ESG

Ent­wal­dungs­freie Lie­fer­ket­ten – nicht mehr nur für Holz!

By 22. September 2023Dezember 8th, 2023No Comments

Man­dan­ten­in­for­ma­ti­on 04/2023

Im Juni 2023 ist die EU-Ent­wal­dungs­ver­ord­nung in Kraft getre­ten. Ab Dezem­ber 2024 müs­sen betrof­fe­ne Unter­neh­men neue (Sorgfalts-)Pflichten erfül­len, um sicher­zu­stel­len, dass ihre Lie­fer­ket­ten ent­wal­dungs­frei sind. Die Regeln gel­ten nicht nur für Holz, son­dern auch für vie­le ande­re Roh­stof­fe und Pro­duk­te, wobei es für die Anwend­bar­keit der Ver­ord­nung nicht dar­auf ankommt, ob die Erzeu­gung inner­halb oder außer­halb der EU erfolgt. Zudem tref­fen die neu­en Pflich­ten nicht allein erst­ma­li­ge Inver­kehr­brin­ger, son­dern auch wei­te­re Händ­ler ent­lang der Lieferkette. 

Die Ver­ord­nung (EU) 2023/1115 (EU-Ent­wal­dungs­ver­ord­nung, EU Defo­re­sta­ti­on Regu­la­ti­on, kurz: EUDR) ist am 29. Juni 2023 in Kraft getre­ten. Sie wird ab Dezem­ber 2024 die EU-Holz­han­dels­ver­ord­nung ablö­sen. Neben Holz umfasst der Anwen­dungs­be­reich der EUDR auch ande­re Roh­stof­fe wie Kaf­fee, Ölpal­men, Kau­tschuk oder Soja. Betrof­fen sind aber nicht nur die­se Roh­stof­fe selbst, son­dern auch sie ent­hal­ten­de oder unter ihrer Ver­wen­dung her­ge­stell­te Erzeug­nis­se wie etwa Rind­fleisch, Scho­ko­la­de oder Papierprodukte.

Die EUDR ver­bie­tet das Inver­kehr­brin­gen der betrof­fe­nen Pro­duk­te, wenn nicht drei Vor­aus­set­zun­gen erfüllt sind: Ers­tens müs­sen die Pro­duk­te ent­wal­dungs­frei sein. Zwei­tens müs­sen sie recht­mä­ßig – also den gesetz­li­chen Vor­ga­ben des Erzeu­ger­lan­des gemäß – erzeugt wor­den sein. Drit­tens muss eine Sorg­falts­er­klä­rung vorliegen

Um nach­zu­wei­sen, dass Pro­duk­te die­sen Anfor­de­run­gen ent­spre­chen, haben Unter­neh­men vor dem Inver­kehr­brin­gen bestimm­te Sorg­falts­pflich­ten (due dili­gence) zu erfül­len. Sie haben außer­dem eine Sorg­falts­pflicht­re­ge­lung (due dili­gence sys­tem) ein­zu­füh­ren und den Behör­den vor dem Inver­kehr­brin­gen eine Sorg­falts­er­klä­rung (due dili­gence state­ment) zu übermitteln.

Wel­che Unter­neh­men sind betroffen?

Die Ver­pflich­tun­gen der EUDR tref­fen in ers­ter Linie „Markt­teil­neh­mer“. Das sind Per­so­nen, die in gewerb­li­chem Rah­men betrof­fe­ne Pro­duk­te (erst­mals) in Ver­kehr brin­gen oder aus der EU ausführen.

Die Vor­schrif­ten der EUDR fin­den aber auch auf „Händ­ler“ Anwen­dung –also auf jede wei­te­re Per­son in der Lie­fer­ket­te, die die betrof­fe­nen Erzeug­nis­se in gewerb­li­chem Rah­men abgibt. Ab einer bestimm­ten Unter­neh­mens­grö­ße (gemes­sen an Bilanz­sum­me, Net­to­um­satz­er­lös und Beschäf­tig­ten­zahl) gel­ten für Händ­ler die glei­chen Pflich­ten wie für Markt­teil­neh­mer. Nur für klei­ne und mitt­le­re Unter­neh­men (KMU) sind Erleich­te­run­gen vor­ge­se­hen. Für Nicht-KMU ist es also uner­heb­lich, ob sie betrof­fe­ne Pro­duk­te erst­mals in Ver­kehr brin­gen oder die­se spä­ter in der Han­dels­ket­te abge­ben. In bei­den Fäl­len tref­fen sie die Ver­pflich­tun­gen der EUDR.

Ver­pflich­tet wer­den übri­gens nicht nur Unter­neh­men, die Pro­duk­te von außer­halb der EU bezie­hen. Für die Anwend­bar­keit der EUDR ist es irrele­vant, ob die Pro­duk­te aus Deutsch­land, einem ande­ren EU-Mit­glied­staat oder einem Dritt­staat stam­men. Aller­dings wird die EU-Kom­mis­si­on bis Dezem­ber 2024 eine Ein­stu­fung von Län­dern in drei Risi­ko­ka­te­go­rien vor­neh­men (coun­try bench­mar­king sys­tem). Für Pro­duk­te aus Län­dern mit gerin­gem Risi­ko gilt dann unter bestimm­ten Vor­aus­set­zun­gen (nur) eine ver­ein­fach­te Sorgfaltspflicht.

Die neue Sorgfaltspflicht

Die Sorg­falts­pflicht dient dem Nach­weis, dass betrof­fe­ne Pro­duk­te den Anfor­de­run­gen der EUDR – Ent­wal­dungs­frei­heit und Recht­mä­ßig­keit – ent­spre­chen. Betrof­fe­ne Unter­neh­men müs­sen Infor­ma­tio­nen sam­meln, Risi­ken bewer­ten und die­se ggf. minimieren.

Zunächst sind betrof­fe­ne Unter­neh­men ver­pflich­tet, Infor­ma­tio­nen, Unter­la­gen und Daten zu sam­meln, aus denen her­vor­geht, dass die Pro­duk­te ent­wal­dungs­frei sind und recht­mä­ßig erzeugt wur­den. Die EUDR ent­hält einen umfang­rei­chen Kata­log der ein­zu­ho­len­den Infor­ma­tio­nen: Dar­un­ter fal­len Anga­ben zum Pro­dukt (Beschrei­bung, Men­ge, Erzeu­ger­land, exak­te Geo­lo­ka­li­sie­rung des Grund­stücks der Roh­stoff­er­zeu­gung), zu Lie­fe­ran­ten, Abneh­mern und über­prüf­ba­re Infor­ma­tio­nen zur Ent­wal­dungs­frei­heit sowie zur Recht­mä­ßig­keit. Die Infor­ma­tio­nen sind fünf Jah­re lang auf­zu­be­wah­ren und Behör­den auf Ver­lan­gen vor­zu­le­gen. Hier sind kei­ner­lei Erleich­te­run­gen für Pro­duk­te aus Län­dern mit gerin­gem Risi­ko vor­ge­se­hen. Die Infor­ma­ti­ons­an­for­de­run­gen sind also für Pro­duk­te aus allen Län­dern stets zu erfüllen.

Auf der nächs­ten Stu­fe müs­sen Unter­neh­men auf der Grund­la­ge der gesam­mel­ten Infor­ma­tio­nen eine Risi­ko­be­wer­tung durch­füh­ren, um fest­zu­stel­len, ob eine Gefahr besteht, dass die Pro­duk­te nicht ent­wal­dungs­frei und recht­mä­ßig sind. Die EUDR gibt bestimm­te Kri­te­ri­en für die­se Bewer­tung vor, dar­un­ter etwa die Prä­senz von Wäl­dern oder indi­ge­nen Völ­kern im Erzeu­ger­land, die Kom­ple­xi­tät der Lie­fer­ket­te oder das Risi­ko der Ver­mi­schung mit Pro­duk­ten unbe­kann­ten Ursprungs. Die Risi­ko­be­wer­tun­gen sind zu doku­men­tie­ren und jähr­lich zu über­prü­fen. Es muss der Nach­weis geführt wer­den kön­nen, wie die Risi­ko­er­mitt­lung erfolgt ist.

In Fäl­len, in denen die Risi­ko­be­wer­tung ergibt, dass für ein Pro­dukt mehr als nur ein ver­nach­läs­sig­ba­res Risi­ko der Nicht­kon­for­mi­tät besteht, sind Ver­fah­ren und Maß­nah­men zur Risi­ko­min­de­rung anzu­wen­den. Auch müs­sen Unter­neh­men ange­mes­se­ne und ver­hält­nis­mä­ßi­ge Stra­te­gien, Kon­trol­len und Ver­fah­ren zur Risi­ko­min­de­rung ein­rich­ten. Dazu zäh­len z.B. Modell­ver­fah­ren für Risi­ko­ma­nage­ment und Bericht­erstat­tung. Für Nicht-KMU ist zudem ein Com­pli­ance-Beauf­trag­ter zu benen­nen und eine unab­hän­gi­ge Prüf­stel­le zu beauf­tra­gen. Auch hin­sicht­lich der Risi­ko­min­de­rung besteht eine Dokumentations‑, Über­prü­fungs- und Nachweispflicht.

Die Pflicht zur Risi­ko­be­wer­tung und Risi­ko­min­de­rung kann ent­fal­len, wenn alle Pro­duk­te aus Län­dern mit gerin­gem Risi­ko stam­men. Aller­dings muss der Nach­weis geführt wer­den kön­nen, dass das Risi­ko einer Umge­hung der Ver­ord­nung oder der Ver­mi­schung mit ande­ren Erzeug­nis­sen zu ver­nach­läs­si­gen ist. Wel­che Län­der von die­ser Pri­vi­le­gie­rung erfasst wer­den, ist von der EU-Kom­mis­si­on bis zum 30. Dezem­ber 2024 festzulegen.

Das Due-Dili­gence-Sys­tem

Betrof­fe­ne Unter­neh­men müs­sen zudem eine sog. Sorg­falts­pflicht­re­ge­lung ein­füh­ren. Gemeint ist ein Due-Dili­gence-Sys­tem, also ein „Rah­men von Ver­fah­ren und Maß­nah­men“, um sicher­zu­stel­len, dass die abge­ge­be­nen Pro­duk­te ent­wal­dungs­frei und recht­mä­ßig sind. Die­ses Sys­tem ist jähr­lich zu über­prü­fen. Für Nicht-KMU besteht außer­dem eine Pflicht der jähr­li­chen öffent­li­chen Bericht­erstat­tung über ihr System.

Sorg­falts­pflicht­er­klä­run­gen

Das Inver­kehr­brin­gen betrof­fe­ner Pro­duk­te setzt neben der Erfül­lung der mate­ri­el­len Vor­ga­ben – ent­wal­dungs­frei und recht­mä­ßig – auch das Vor­lie­gen einer Sorg­falts­er­klä­rung vor­aus. Die­se muss unter ande­rem Anga­ben zum Unter­neh­men selbst, zu Art und Men­ge des Erzeug­nis­ses, zum Erzeu­ger­land sowie zur Geo­lo­ka­li­sie­rung der Grund­stü­cke ent­hal­ten. Vor dem Inver­kehr­brin­gen eines Erzeug­nis­ses muss die Sorg­falts­er­klä­rung den Behör­den über ein Infor­ma­ti­ons­sys­tem elek­tro­nisch über­mit­telt wer­den. Die Refe­renz­num­mer der über­mit­tel­ten Sorg­falts­er­klä­rung ist auch den Abneh­mern der Erzeug­nis­se ent­lang der nach­ge­la­ger­ten Lie­fer­ket­te mitzuteilen.

Nicht-KMU müs­sen selbst dann Sorg­falts­er­klä­run­gen gegen­über den Behör­den abge­ben, wenn zuvor schon ein ande­rer Markt­teil­neh­mer (also etwa ein Erzeu­ger oder Lie­fe­rant in der vor­ge­la­ger­ten Lie­fer­ket­te) eine Sorg­falts­er­klä­rung für das Pro­dukt über­mit­telt hat. Sie kön­nen aber unter bestimm­ten Vor­aus­set­zun­gen auf sol­che bereits über­mit­tel­ten Erklä­run­gen verweisen.

Was ist zu tun?

Für klei­ne Unter­neh­men gel­ten die neu­en Pflich­ten ab dem 30. Juni 2025, für mitt­le­re und gro­ße Unter­neh­men schon ab dem 30. Dezem­ber 2024.

Unter­neh­men soll­ten zeit­nah prü­fen, ob sie durch den Umgang mit betrof­fe­nen Roh­stof­fen oder Erzeug­nis­sen zum (wei­ten) Adres­sa­ten­kreis der neu­en Ver­ord­nung gehö­ren. In die­sem Fall soll­ten sie ihre Pro­zes­se ana­ly­sie­ren und die not­wen­di­gen Sorg­falts­pflich­ten und ‑sys­te­me zur Infor­ma­ti­ons­be­schaf­fung, Risi­ko­be­wer­tung und ‑min­de­rung imple­men­tie­ren. Neben den Infor­ma­ti­ons­pro­zes­sen im Unter­neh­men und in der Lie­fer­ket­te kön­nen dabei auch ope­ra­ti­ve Pro­zes­se in den Blick zu neh­men sein. So kön­nen etwa Ver­mi­schun­gen ent­lang der Han­dels­ket­te die Erfül­lung der Sorg­falts­pflicht im Hin­blick auf die gebo­te­ne Geo­lo­ka­li­sie­rung der Erzeu­gungs­grund­stü­cke erschwe­ren. Durch eine recht­zei­ti­ge Ana­ly­se und ggf. Anpas­sung kann mög­li­chen Sank­tio­nen wie Ver­triebs­ver­bo­ten oder Geld­bu­ßen vor­ge­beugt werden.

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