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PLA­NUNG

Netz­aus­bau: Vor­läu­fi­ge Schluss­punk­te der Gesetz­ge­bungs­vor­ha­ben zur „Pla­nungs­be­schleu­ni­gung“ der Bun­des­re­gie­rung in Kraft getreten

By 15. Febru­ary 2024No Comm­ents

Man­dan­ten­in­for­ma­ti­on 03/2024

Die Beschleu­ni­gung von Pla­nungs- und Geneh­mi­gungs­ver­fah­ren für Infra­struk­tur­maß­nah­men ist ein zen­tra­les Ziel der aktu­el­len Bun­des­re­gie­rung. Quan­ti­ta­tiv ist die Schaf­fens­kraft des Gesetz­ge­bers auch recht beein­dru­ckend. Kehr­sei­te ist, dass es die Fül­le an zahl­rei­chen, über meh­re­re Rechts­ge­bie­te und Geset­ze ver­teil­ten „Beschleu­ni­gungs­vor­schrif­ten“ umso schwe­rer macht, den Über­blick zu behal­ten. Aus der Sicht des ein­zel­nen Infra­struk­tur­sek­tors stellt sich die Fra­ge, wel­che neu­en Vor­schrif­ten für eine rechts­si­che­re Pla­nung zu beach­ten sind. Dies gilt ins­be­son­de­re für den (Strom-)Netzausbau, der zuletzt durch eine EnWG-Novel­le als auch durch die vor­aus­ge­gan­ge­nen Geset­zes­no­vel­len aus dem Bereich der Planungsbeschleunigungs-„Pakete“ der Bun­des­re­gie­rung zahl­rei­chen Modi­fi­ka­tio­nen und Neue­run­gen unter­wor­fen ist.

I. Über­blick: Planungsbeschleunigungs-„Pakete“ in der aktu­el­len Legis­la­tur­pe­ri­ode 

Das „Oster­pa­ket“ aus dem Früh­jahr 2022, sog. „Pla­nungs­be­schleu­ni­gungs­pa­ket I“, beinhal­tet – neben Neue­run­gen für die „Offshore“-Windenergie und spe­zi­el­len Vor­schrif­ten für den zügi­gen Auf­bau einer LNG-Import­in­fra­struk­tur – ins­be­son­de­re Beschleu­ni­gungs­vor­schrif­ten für den Netz­aus­bau durch das Gesetz zur Ände­rung des Ener­gie­wirt­schafts­rechts vom 19. Juli 2022 (im Fol­gen­den: EnWG-Novel­le I).

Das „Som­mer­pa­ket“ 2022, sog. „Pla­nungs­be­schleu­ni­gungs­pa­ket II“, fokus­siert vor allem die Wind­kraft im Onshore-Bereich (zB. neu­es Wind-an-Land-Gesetz u.a.). Indes sind mit der Umset­zung der EU-Not­fall­ver­ord­nung im Rah­men des Geset­zes zur Ände­rung des Raum­ord­nungs­ge­set­zes und ande­rer Vor­schrif­ten vom 22. März 2023 (im Fol­gen­den: ROG­ÄndG) auch wich­ti­ge neue Beschleu­ni­gungs­re­geln für den Netz­aus­bau vorgesehen.

Das „Herbst­pa­ket“ 2022, sog. „Pla­nungs­be­schleu­ni­gungs­pa­ket III“, beinhal­tet in Gestalt des Geset­zes zur Beschleu­ni­gung von ver­wal­tungs­ge­richt­li­chen Ver­fah­ren im Infra­struk­tur­be­reich vom 14. März 2023 (im Fol­gen­den: VwGO-Novel­le) auch für den Netz­aus­bau rele­van­tes Pro­zess­recht. Im Übri­gen umfasst es das – ver­zö­gert – am 29. Dezem­ber 2023 in Kraft getre­te­ne Gesetz zur Beschleu­ni­gung von Geneh­mi­gungs­ver­fah­ren im Ver­kehrs­be­reich vom 22. Dezem­ber 2023 (im Fol­gen­den: Beschleu­ni­gungs­ge­setz Ver­kehr). 

Hin­zu tritt die jüngs­te Novel­le des EnWG durch das Gesetz zur Anpas­sung des Ener­gie­wirt­schafts­rechts an uni­ons­recht­li­che Vor­ga­ben und zur Ände­rung wei­te­rer ener­gie­recht­li­cher Vor­schrif­ten (im Fol­gen­den: EnWG-Novel­le II), eben­falls seit dem 29. Dezem­ber 2023 in Kraft.

Schließ­lich hält auch das jüngst am 1. Janu­ar 2024 in Kraft getre­te­ne Gesetz zur Ände­rung ver­wal­tungs­ver­fah­rens­recht­li­cher Vor­schrif­ten (im Fol­gen­den: 5. VwVfG­ÄndG) rele­van­te Ände­run­gen zur Beschleu­ni­gung des Netz­aus­baus bereit.

II. Ver­fah­rens- und pro­zess­recht­li­che Beschleu­ni­gungs­an­sät­ze für den Netzausbau

Die aktu­el­le Pla­nungs­be­schleu­ni­gungs­ge­setz­ge­bung knüpft ers­tens am „klas­si­schen“ Ansatz an, der Beschleu­ni­gungs­po­ten­ti­al rege­lungs­tech­nisch im Ver­fah­rens­recht sucht:

1. Ver­fah­rens­ver­ein­fa­chung beim län­der­über­grei­fen­den Netzausbau

Die EnWG-Novel­le I war­tet mit Ein­schrän­kun­gen der Bun­des­fach­pla­nung nach dem Netz­aus­bau­be­schleu­ni­gungs­ge­setz Über­tra­gungs­netz (NABEG) auf. Das Beschleu­ni­gungs­po­ten­zi­al die­ser spe­zi­el­len, für län­der­über­grei­fen­de Netz­aus­bau­vor­ha­ben vor über einem Jahr­zehnt ein­ge­führ­ten Fach­pla­nung des Tras­sen­kor­ri­dors für das nach­fol­gen­de Plan­fest­stel­lungs­ver­fah­ren gilt gene­rell als umstrit­ten. Nun­mehr kann auf die Bun­des­fach­pla­nung in zwei wei­te­ren Fäl­len ver­zich­tet wer­den: 

Zum einen soll die Bun­des­fach­pla­nung ent­fal­len, wenn für ein Netz­aus­bau­vor­ha­ben bereits eine Bun­des­fach­pla­nungs­ent­schei­dung gege­ben ist und das im Rah­men der tur­nus­ge­mä­ßen Netz­ent­wick­lungs­pla­nung neu oder modi­fi­ziert geplan­te län­der­über­grei­fen­de Netz­aus­bau­vor­ha­ben im sel­ben Tras­sen­kor­ri­dor ver­läuft (§§ 5a Abs. 4 Satz 1 NABEG, 2 Abs. 7 Satz 2 u. 3 BBPlG n.F., 12b Abs. 3a EnWG n.F.). Hin­ter­grund die­ser sog. Bün­de­lungs­op­ti­on dürf­te sein, dass eine „wie­der­hol­te“ Bun­des­fach­pla­nung hier über­flüs­sig erscheint (vgl. BT-Drs. 20/1599, S. 2 f. u. 52 f.).

Zum ande­ren wird für geplan­te Neu­bau­maß­nah­men zur Höchst­span­nungs-Gleich­strom-Über­tra­gung (i.d.R. als Erd­ka­bel, vgl. § 2 Abs. 5 BBPlG) oder für den län­der­über­grei­fen­den land­sei­ti­gen Teil einer Off­shore-Anbin­dungs­lei­tung, die noch nicht im Netz­ent­wick­lungs­plan bestä­tigt wur­den und für die kei­ne Bün­de­lungs­op­ti­on (s. zuvor) besteht, das Instru­ment der Bun­des­fach­pla­nung durch die Fest­le­gung eines sog. Prä­fe­renz­raums durch die Bun­des­netz­agen­tur (BNetzA) ersetzt. Grund­la­ge des Prä­fe­renz­raums sind vor­han­de­ne Daten zur groß­räu­mi­gen Umwelt­si­tua­ti­on für die Neu­bau­maß­nah­me (§§ 5a Abs. 4a NABEG n.F., 12c Abs. 2a EnWG n.F.). Die­se Prä­fe­renz­räu­me gehen in die Stra­te­gi­sche Umwelt­prü­fung zum Bun­des­be­darfs­plan ein und bil­den die Grund­la­ge für die Alter­na­ti­venprü­fung auf der Ebe­ne der Plan­fest­stel­lung (§ 18 Abs. 3c NABEG n.F.). Hin­ter­grund die­ser Neu­re­ge­lung dürf­te sein, das Ziel der Bun­des­fach­pla­nung auf abge­kürz­tem Wege, sprich ohne Betei­li­gungs­ver­fah­ren, zu errei­chen (vgl. BT-Drs. 20/1599, S. 53).

Im Ergeb­nis dürf­te sich der Anwen­dungs­be­reich der Bun­des­fach­pla­nung nun­mehr ins­be­son­de­re auf län­der­über­grei­fen­de Frei­lei­tungs­vor­ha­ben, für die kei­ne Bün­de­lungs­op­ti­on (s. zuvor) besteht, beschränken.

2. Ver­fah­rens­frei­stel­lung von (klein­räu­mi­gen) Anpas­sungs­maß­nah­men beim Netzausbau

Von der Ver­pflich­tung, ein Plan­fest­stel­lungs­ver­fah­ren durch­zu­füh­ren, wer­den nach der jüngst in Kraft getre­te­nen EnWG-Novel­le II ausgenommen:

  • Hoch­span­nungs­frei­lei­tun­gen bis 200 Metern Län­ge, soweit die­se nicht in einem Natu­ra2000-Gebiet lie­gen, § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b) EnWG n.F. 
  • Der Aus­tausch von (leis­tungs­fä­hi­ge­ren) (Hochtemperatur-)Leiterseilen, indem er aus dem Begriff der plan­fest­stel­lungs­pflich­ti­gen Ände­rung aus­ge­klam­mert wird, d.h. inso­weit ist kein Zulas­sungs­ver­fah­ren erfor­der­lich, §§ 43f Abs. 5 EnWG, 3 Abs. 1 NABEG n.F.
  • Errich­tung, Betrieb und Ände­rung von Pro­vi­so­ri­en im Lei­tungs­bau gemäß dem neu­en § 43 Abs. 1 Satz 2 f. EnWG.

Fakul­ta­tiv bleibt eine Plan­fest­stel­lung jeweils mög­lich, vgl. §§ 43 Abs. 2, 43f EnWG n.F. Die erst­ge­nann­te Neu­re­ge­lung dürf­te Beschleu­ni­gungs­po­ten­zi­al z.B. bei sog. Lei­tungs­ein­füh­run­gen in Umspann­wer­ke o.ä. erge­ben. Die wei­te­ren Neu­re­ge­lun­gen bewir­ken jeden­falls eine begrü­ßens­wer­te Klar­stel­lung bis­lang bestehen­der Rechts­un­klar­hei­ten. Die mate­ri­ell-recht­li­chen Stan­dards müs­sen aller­dings gleich­wohl ein­ge­hal­ten und geprüft wer­den (vgl. BT-Drs. 20/9187, S. 156).

3. Soll-Zulas­sung des vor­zei­ti­gen Beginns

Unter ver­fah­rens­recht­li­chen Gesichts­punk­ten bezweckt die bereits mit der EnWG-Novel­le I erfolg­te Ein­füh­rung einer „Soll“-Zulassung des vor­zei­ti­gen Beginns sowie die Strei­chung der Prü­fungs­vor­aus­set­zung „Ver­fü­gung des Vor­ha­ben­trä­gers über pri­va­te Rech­te“ mit dem neu­ge­fass­ten § 44c EnWG eine Beschleu­ni­gung. Die Zeit­er­spar­nis wird dar­in gese­hen, dass sich der Vor­ha­ben­trä­ger par­al­lel um den Erhalt des Bescheids und den – man­gels ent­eig­nungs­recht­li­cher Vor­wir­kung des vor­zei­ti­gen Beginns erfor­der­li­chen – Flä­chen­zu­griff bemü­hen kann (vgl. BT-Drs. 20/2402, S. 45).

4. Klar­stel­lun­gen beim Ein­satz eines Projektmanagers

Mit der Ein­fü­gung einer neu­en Num­mer 10 in § 43g Absatz 1 EnWG bzw. § 29 NABEG im Rah­men der EnWG-Novel­le I wird klar­ge­stellt, dass der Pro­jekt­ma­na­ger auch Ent­wür­fe von Ent­schei­dun­gen (Plan­fest­stel­lungs­ent­schei­dun­gen, Dul­dungs­ver­fü­gun­gen betref­fend Vor­ar­bei­ten, Zulas­sung des vor­zei­ti­gen Beginns usw.) erstel­len darf. Die­se Klar­stel­lung bezweckt offen­sicht­lich die Ent­las­tung der Zulas­sungs­be­hör­de, die gemäß § 43g Absatz 3 n.F. in der Sache gleich­wohl ver­ant­wort­lich bleibt. Eine der­ar­ti­ge „Pri­va­ti­sie­rung“ von urei­ge­nen Staats­auf­ga­ben mag man kri­ti­sie­ren kön­nen. Zumin­dest in Fäl­len (nur) punk­tu­el­ler Belas­tungs­spit­zen erscheint ein weit­rei­chen­der Ein­satz von Pro­jekt­ma­na­gern durch­aus sinn­voll und pragmatisch.

5. Beschleu­ni­gung im Verwaltungsprozessrecht

Als ers­ter Teil des „Herbst­pa­kets“ 2022 wur­de die VwGO-Novel­le umge­setzt. Auch für Netz­aus­bau­pro­jek­te gilt dem­nach: Beschleu­ni­gungs­po­ten­zia­le sol­len etwa durch die Mög­lich­keit ver­klei­ner­ter Spruch­kör­per bei den OVG und beim BVerwG, d.h. durch Erschlie­ßung „neu­er“ rich­ter­li­cher Per­so­nal­res­sour­cen, geho­ben wer­den (§§ 9 Abs. 4 u. 10 Abs. 4 VwGO). Wei­ter kön­nen die Gerich­te – dies ist eine zen­tra­le Neue­rung – im Rah­men des vor­läu­fi­gen Rechts­schut­zes gewis­se Män­gel der Zulas­sungs­ent­schei­dung außer Acht las­sen, wenn offen­sicht­lich ist, dass die­se zeit­nah beho­ben wer­den (§ 80 c Abs. 2 VwGO n.F.). Auch sol­len die Gerich­te die Anord­nung bzw. Wie­der­her­stel­lung der auf­schie­ben­den Wir­kung auf die Teil­be­rei­che der Zulas­sungs­ent­schei­dung beschrän­ken, deren Umset­zung irrever­si­ble Fol­gen hat (§ 80c Abs. 3 VwGO n.F.).

III. „Mate­ri­el­le“ Beschleunigungsansätze

Dass sich „Ver­fah­rens­be­schleu­ni­gung“ nicht allein durch Modi­fi­ka­tio­nen des Ver­fah­rens­rechts errei­chen lässt, wird seit Lan­gem betont; der Gesetz­ge­ber hat dies nun­mehr – nach ers­ten Ansät­zen ins­be­son­de­re im LNG-Gesetz – auch und wei­ter­ge­hend für der Netz­aus­bau aufgegriffen:

1. Neu­er § 43m EnWG: Ver­zicht auf UVP und beson­de­ren Arten­schutz 

Ein weit­ge­hen­der mate­ri­el­ler Ansatz zur Beschleu­ni­gung gilt nach der sog. EU-Not­fall­ver­ord­nung, die vor­mals bis zum Ablauf des 30. Juni 2024 befris­tet war und zwi­schen­zeit­lich um ein Jahr ver­län­gert wor­den ist. Für Anla­gen der Erneu­er­ba­ren Ener­gien wie für den Netz­aus­bau wird für den Fall natur­schutz­recht­li­cher Aus­nah­me­ent­schei­dun­gen fest­ge­legt, dass an der Aus­bau­maß­nah­me grund­sätz­lich ein über­wie­gen­des öffent­li­ches Inter­es­se besteht (Art. 3). Ins­be­son­de­re aber kön­nen die Mit­glied­staa­ten für bestimm­te Netz­aus­bau­pro­jek­te nicht nur von der Durch­füh­rung der UVP, son­dern auch von der regu­lä­ren „kar­tier­in­ten­si­ven“ Prü­fung des beson­de­ren Arten­schutz­rechts nach der FFH- und Vogel­schutz­richt­li­nie abse­hen (Art. 6). 

Die EU-Not­fall­ver­ord­nung platz­te mit­ten in die Umset­zung des „Som­mer­pa­kets“ hin­ein. Für Netz­aus­bau­pro­jek­te der Bun­des­fach- und Bun­des­be­darfs­pla­nung (inso­weit ist mit der EnWG-Novel­le II zuletzt eine wich­ti­ge Klar­stel­lung erfolgt, sie­he § 43m Abs. 1 Satz 3 EnWG n.F., vgl. BT-Drs. 20/8165, S. 13) hat der deut­sche Gesetz­ge­ber im Rah­men des ROG­ÄndG von der euro­pa­recht­li­chen „Ermäch­ti­gung“, auf eine UVP sowie die Prü­fung des beson­de­ren Arten­schutz­rechts zu ver­zich­ten, kur­zer­hand mit dem neu­en § 43m EnWG Gebrauch gemacht. Inso­weit wur­den weit­rei­chen­de flan­kie­ren­de Vor­ga­ben, u.a. für die fach­pla­ne­ri­sche Abwä­gung, ein­ge­führt, die die­ser Tage aller­dings erheb­li­chen juris­ti­schen Klä­rungs­be­darf zwi­schen Über­tra­gungs­netz­be­trei­bern und Zulas­sungs­be­hör­den auslösen.

2. Über­ra­gen­des öffent­li­ches Inter­es­se für Hochspannungsleitungen

Nach der EnWG-Novel­le II kommt der Errich­tung und dem Betrieb von allen Hoch­span­nungs­lei­tun­gen gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 4 EnWG das über­ra­gen­de öffent­li­che Inter­es­se zu; der beschleu­nig­te Aus­bau ist als vor­ran­gi­ger Belang in Schutz­gü­ter­ab­wä­gun­gen ein­zu­stel­len (§§ 43 Abs. 3a EnWG, 1 Abs. 2 NABEG). 

3. Ein­schrän­kung der fach­pla­nungs­recht­li­chen Alter­na­ti­venprü­fung für Hoch­span­nungs­lei­tun­gen nach dem EnWG 

Dar­über hin­aus sieht die EnWG-Novel­le II Ein­schrän­kun­gen bei der fach­pla­nungs­recht­li­chen Alter­na­ti­venprü­fung vor:

  • Bei der Ände­rung von Bestands­lei­tun­gen, Ersatz­neu­bau­ten und Par­al­lel­neu­bau­ten gemäß § 43 Abs. 3 Satz 3 EnWG n.F. ist die Alter­na­ti­venprü­fung auf den Raum in und unmit­tel­bar neben der Bestandstras­se beschränkt, sofern nicht zwin­gen­de Grün­de – nament­li­che sol­che des FFH-Gebiets­schutz- bzw. des beson­de­ren Arten­schutz­rechts – entgegenstehen.
  • Gene­rell genügt eine Grob­prü­fung; eine detail­lier­te Prü­fung ist erst ange­zeigt, wenn sich eine Alter­na­ti­ve als ein­deu­tig bes­se­re erwei­sen könn­te, § 43 Abs. 3b EnWG n.F.; § 18 Abs. 4 NABEG n.F.
  • Die Belan­ge der schnellst­mög­li­chen Errich­tung, des mög­lichst gerad­li­ni­gen Ver­laufs (grds.) und der Wirt­schaft­lich­keit der Errich­tung und Betriebs­wei­se der Hoch­span­nungs­lei­tun­gen haben in der Abwä­gung ein her­aus­ge­ho­be­nes Gewicht, § 43 Abs. 3c EnWG n.F.

Inwie­weit die­se Ein­schrän­kun­gen tat­säch­lich zu einer Ver­fah­rens­be­schleu­ni­gung füh­ren, bleibt abzu­war­ten. Zumin­dest hat der Gesetz­ge­ber erkannt, dass eine bereits nach bis­he­ri­gem Recht durch­ge­führ­te Alter­na­ti­venprü­fung im lau­fen­den Ver­fah­ren nicht zwin­gend noch­mals neu durch­ge­führt wer­den muss. Denn bis zum Ablauf des 29. Febru­ar 2024 besteht für Vor­ha­ben­trä­ger die Mög­lich­keit, dem Plan­fest­stel­lungs­ver­fah­ren per „Opt-Out“ die bis­he­ri­ge Rechts­la­ge wei­ter­hin zugrun­de zu legen (§§ 118 Abs. 49, 50 EnWG).

4. Wei­te­re mate­ri­ell-recht­li­che Ver­ein­fa­chun­gen im „zwin­gen­den Recht“

Bei Ände­rungs­vor­ha­ben, die (offen­sicht­lich) nicht zu Ände­run­gen der Beur­tei­lungs­pe­gel nach der TA Lärm füh­ren (z.B. Ein­füh­rung eines wit­te­rungs­ab­hän­gi­gen Frei­lei­tungs­be­triebs, vgl. BT-Drs. 20/1599, S. 60), wird auf die Fest­stel­lung der Ver­ein­bar­keit von Koro­na­ge­räu­schen mit der TA Lärm ver­zich­tet (neu­er § 43f Absatz 2 Satz 3 EnWG nach der EnWG-Novel­le I).

Neu ist hier auch die Rege­lung gemäß § 49 Abs. 2c EnWG, wonach wit­te­rungs­be­ding­te Anla­gen­ge­räu­sche von Höchst­span­nungs­net­zen unab­hän­gig von der Häu­fig­keit und Zeit­dau­er der sie ver­ur­sa­chen­den Wet­ter- und ins­be­son­de­re Nie­der­schlags­ge­sche­hen bei der Beur­tei­lung des Vor­lie­gens schäd­li­cher Umwelt­ein­wir­kun­gen im Sin­ne von § 3 Absatz 1 und § 22 des Bun­des-Immis­si­ons­schutz­ge­set­zes als sel­te­ne Ereig­nis­se im Sin­ne der TA Lärm gel­ten. Bei sel­te­nen Ereig­nis­sen kann der Nach­bar­schaft eine höhe­re als die nach Num­mer 6.1 der TA Lärm zuläs­si­ge Belas­tung zuge­mu­tet werden.

Die­se Beschleu­ni­gungs­an­sät­ze sind begrü­ßens­wert, da es nicht um eine neue Tole­ranz dau­er­haf­ter Beein­träch­ti­gun­gen geht, son­dern um einen prag­ma­ti­schen Umgang mit einer in der Regel nur vor­über­ge­hen­den Belastungslage.

IV. Digi­ta­li­sie­rung von Ver­fah­rens­schrit­ten 

Wesent­li­che Bestand­tei­le eines Plan­fest­stel­lungs­ver­fah­rens bil­den die Ein­rei­chung der Plan­un­ter­la­gen, die Behör­den­be­tei­li­gung, die öffent­li­che Aus­le­gung und Bekannt­ma­chung, die Öffent­lich­keits­be­tei­li­gung durch Ein­sicht in die Plan­un­ter­la­gen, die Erhe­bung von Ein­wen­dun­gen und die Erör­te­rung der Ein­wen­dun­gen, sowie der Plan­fest­stel­lungs­be­schluss. § 43a EnWG bzw. §§ 18 ff. NABEG modi­fi­zie­ren bereichs­spe­zi­fisch das all­ge­mei­ne Plan­fest­stel­lungs­recht (§§ 72 ff. VwVfG). Inso­weit ver­spricht sich der Gesetz­ge­ber Beschleu­ni­gungs­po­ten­ti­al auch und drit­tens durch eine weit­rei­chen­de Digi­ta­li­sie­rung der klas­si­scher­wei­se ana­log gepräg­ten Ver­fah­rens­schrit­te: 

1. 5. VwVfGÄndG

In all­ge­mei­ner Hin­sicht ist hier zunächst das jüngst in Kraft getre­te­ne 5. VwVfG­ÄndG beacht­lich, mit dem der Gesetz­ge­ber wesent­li­che Vor­schrif­ten des Pla­nungs­si­cher­stel­lungs­ge­set­zes (Plan­SiG) aus der „Corona“-Zeit im all­ge­mei­nen Plan­fest­stel­lungs­recht verstetigt:

  • Für das Erfor­der­nis von „orts­üb­li­chen Bekannt­ma­chun­gen“ (betr. Aus­le­gung der Plan­un­ter­la­gen und Bekannt­ga­be des Plan­fest­stel­lungs­be­schlus­ses) gilt neu­er­dings, dass hier­zu auch die Zugäng­lich­ma­chung im Inter­net (Home­page der Gemein­de) erfor­der­lich ist; im Übri­gen ver­bleibt es bei der tra­dier­ten „ana­lo­gen“ Vor­ge­hens­wei­se (z.B. Amts­blatt­ver­öf­fent­li­chung), wobei maß­geb­lich die Inter­net­ver­öf­fent­li­chung ist (§§ 73 Abs. 5 Satz 1 bzw. 74 Abs. 4 Satz 2 2. Hs. VwVfG n.F. i.V.m.  27a VwVfG n.F.).
  • Für die Aus­le­gung selbst gilt in ähn­li­cher Wei­se, dass sie in ers­ter Linie durch Zugäng­lich­ma­chung der Unter­la­gen im Inter­net (Home­page der Gemein­de) zu erfol­gen hat; zudem muss die Aus­le­gung „in einer ande­ren Wei­se“ (ana­log oder etwa durch öffent­lich zugäng­li­che Lese­ge­rä­te, vgl. BT-Drs. 20/8299, S. 20) erfol­gen (§§ 73 Abs. 2 n.F. bzw. §§ 74 Abs. 4 Satz 2 i.V.m. 27b VwVfG). 
  • Schließ­lich kön­nen Erör­te­rungs­ter­mi­ne nun­mehr auch ohne pan­de­mi­schen Hin­ter­grund nach frei­em Ermes­sen durch sog. Online-Kon­sul­ta­tio­nen ersetzt wer­den (§ 27c EnWG).

Dem­ge­gen­über ver­bleibt es für die Erhe­bung von Ein­wen­dun­gen beim grund­sätz­li­chen Schrift­form­erfor­der­nis (§ 73 Abs. 4 Satz 1 VwVfG). Inso­weit wird ledig­lich der Kata­log der zuge­las­se­nen schrift­form­er­set­zen­den elek­tro­ni­schen For­men (bis­lang: qua­li­fi­zier­te elek­tro­ni­sche Signa­tur nach eIDAS-VO, Abga­be der Erklä­rung in einem elek­tro­ni­schen For­mu­lar mit elek­tro­ni­schem Iden­ti­täts­nach­weis oder Ver­sand mit­tels DE-Mail-Account, § 3a VwVfG a.F.) um wei­te­re Ein­zel­fäl­le wie z.B. die Ver­sen­dung aus dem beson­de­ren elek­tro­ni­schen Anwalts­post­fach (beA) erwei­tert (§ 3a VwVfG n.F.).

2. Spe­zi­al­vor­schrif­ten der Digi­ta­li­sie­rung des Plan­fest­stel­lungs­ver­fah­rens nach EnWG und NABEG

Die EnWG-Novel­le II modi­fi­ziert sodann die jüngst erfolg­te Digi­ta­li­sie­rung der all­ge­mei­nen Ver­fah­rens­schrit­te (sie­he zuvor) wie folgt:

  • Aus­le­gung der Plan­un­ter­la­gen allei­ne durch Zugäng­lich­ma­chung auf der Home­page der zustän­di­gen Behör­de; ledig­lich auf Ver­lan­gen eines Betei­lig­ten muss die­sem eine alter­na­ti­ve, leicht zu errei­chen­de Zugangs­mög­lich­keit zur Ver­fü­gung gestellt wer­den (§ 43a Satz 2 f. EnWG). Zudem ist dabei nur aus­nahms­wei­se an eine ana­lo­ge Form gedacht (BT-Drs. 20/9187, S. 160).
  • Öffent­li­che Bekannt­ga­be des Plan­fest­stel­lungs­be­schlus­ses durch Zugäng­lich­ma­chung auf der Behör­den­home­page und zusätz­lich durch Bekannt­ma­chung mit sei­nem ver­fü­gen­den Teil und der Rechts­be­helfs­be­leh­rung sowie einem Hin­weis auf die Zugäng­lich­ma­chung im Inter­net in ört­li­chen Tages­zei­tun­gen, die in dem Gebiet, auf das sich das Vor­ha­ben vor­aus­sicht­lich aus­wir­ken wird, ver­brei­tet sind (§ 43b Absatz 1 Nr. 3 EnWG).

Ent­spre­chen­de Vor­schrif­ten ent­hält seit der EnWG-Novel­le I das NABEG (§ 22 Absatz 3 S. 2 u. 24 Abs. 2). Bei nähe­rem Hin­se­hen bewir­ken die neu­en spe­zi­el­len Vor­schrif­ten eine gegen­über den neu­en all­ge­mei­nen Ver­fah­rens­re­geln gestei­ger­te Digi­ta­li­sie­rung des Ver­fah­rens­rechts bei Netz­aus­bau­vor­ha­ben. Hin­sicht­lich der Aus­le­gung betrifft dies eine wei­te­re Zurück­drän­gung ana­lo­ger Ein­sichts­mög­lich­kei­ten, die hier nur auf Ver­lan­gen eines Betei­lig­ten gewährt wer­den kön­nen. Hin­sicht­lich der Bekannt­ga­be des Plan­fest­stel­lungs­be­schlus­ses wird der Umfang des ana­lo­gen Weges ver­rin­gert. Abwei­chend vom all­ge­mei­nen Ver­fah­rens­recht (d.h. „auch“ her­kömm­li­che Aus­le­gung des Plan­fest­stel­lungs­be­schlus­ses, s. zuvor) müs­sen hier nur der Tenor und die Rechts­be­helfs­be­leh­rung in einer ört­li­chen Tages­zei­tung ver­öf­fent­licht wer­den. 

Nicht recht nach­voll­zieh­bar erscheint indes, dass im Bereich von Fach­pla­nun­gen nach dem EnWG Ein­wen­dun­gen nach wie vor in Schrift­form bzw. in schrift­form­er­set­zen­der Form erho­ben wer­den müs­sen, wäh­rend dies weder beim NABEG noch beim ein­gangs ange­spro­chen und am sel­ben Tag in Kraft getre­te­nen Beschleu­ni­gungs­ge­setz Ver­kehr erfor­der­lich ist; hier genügt viel­mehr eine ein­fa­che E‑Mail (vgl. die neu­en §§ 17a FStrG, 18a AEG, 14a WaS­trG und inso­weit BT-Drs. 20/6879, S. 58, die im Übri­gen auch noch mit wei­ter­ge­hen­den digi­ta­len „Klar­stel­lun­gen“ auf­war­ten). Wäh­rend dem­nach im Ver­kehrs­sek­tor der Weg für die grund­le­gen­de Ver­la­ge­rung des Plan­fest­stel­lungs­ver­fah­rens in den digi­ta­len Raum berei­tet wird, etwa in Gestalt von inno­va­ti­ven Vor­ha­ben­por­ta­len im Inter­net bzw. „Apps“, in denen Aus­le­gung, Ein­wen­dun­gen, Ein­wen­dungs­ma­nage­ment, Erwi­de­rung und ggf. Erör­te­rung umfas­send inte­griert digi­ta­li­siert erfol­gen kön­nen, gin­ge dies beim Netz­aus­bau der­zeit – soweit ersicht­lich – nur bedingt.

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