Mandanteninformation 03/2024
Die Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren für Infrastrukturmaßnahmen ist ein zentrales Ziel der aktuellen Bundesregierung. Quantitativ ist die Schaffenskraft des Gesetzgebers auch recht beeindruckend. Kehrseite ist, dass es die Fülle an zahlreichen, über mehrere Rechtsgebiete und Gesetze verteilten „Beschleunigungsvorschriften“ umso schwerer macht, den Überblick zu behalten. Aus der Sicht des einzelnen Infrastruktursektors stellt sich die Frage, welche neuen Vorschriften für eine rechtssichere Planung zu beachten sind. Dies gilt insbesondere für den (Strom-)Netzausbau, der zuletzt durch eine EnWG-Novelle als auch durch die vorausgegangenen Gesetzesnovellen aus dem Bereich der Planungsbeschleunigungs-„Pakete“ der Bundesregierung zahlreichen Modifikationen und Neuerungen unterworfen ist.
I. Überblick: Planungsbeschleunigungs-„Pakete“ in der aktuellen Legislaturperiode
Das „Osterpaket“ aus dem Frühjahr 2022, sog. „Planungsbeschleunigungspaket I“, beinhaltet – neben Neuerungen für die „Offshore“-Windenergie und speziellen Vorschriften für den zügigen Aufbau einer LNG-Importinfrastruktur – insbesondere Beschleunigungsvorschriften für den Netzausbau durch das Gesetz zur Änderung des Energiewirtschaftsrechts vom 19. Juli 2022 (im Folgenden: EnWG-Novelle I).
Das „Sommerpaket“ 2022, sog. „Planungsbeschleunigungspaket II“, fokussiert vor allem die Windkraft im Onshore-Bereich (zB. neues Wind-an-Land-Gesetz u.a.). Indes sind mit der Umsetzung der EU-Notfallverordnung im Rahmen des Gesetzes zur Änderung des Raumordnungsgesetzes und anderer Vorschriften vom 22. März 2023 (im Folgenden: ROGÄndG) auch wichtige neue Beschleunigungsregeln für den Netzausbau vorgesehen.
Das „Herbstpaket“ 2022, sog. „Planungsbeschleunigungspaket III“, beinhaltet in Gestalt des Gesetzes zur Beschleunigung von verwaltungsgerichtlichen Verfahren im Infrastrukturbereich vom 14. März 2023 (im Folgenden: VwGO-Novelle) auch für den Netzausbau relevantes Prozessrecht. Im Übrigen umfasst es das – verzögert – am 29. Dezember 2023 in Kraft getretene Gesetz zur Beschleunigung von Genehmigungsverfahren im Verkehrsbereich vom 22. Dezember 2023 (im Folgenden: Beschleunigungsgesetz Verkehr).
Hinzu tritt die jüngste Novelle des EnWG durch das Gesetz zur Anpassung des Energiewirtschaftsrechts an unionsrechtliche Vorgaben und zur Änderung weiterer energierechtlicher Vorschriften (im Folgenden: EnWG-Novelle II), ebenfalls seit dem 29. Dezember 2023 in Kraft.
Schließlich hält auch das jüngst am 1. Januar 2024 in Kraft getretene Gesetz zur Änderung verwaltungsverfahrensrechtlicher Vorschriften (im Folgenden: 5. VwVfGÄndG) relevante Änderungen zur Beschleunigung des Netzausbaus bereit.
II. Verfahrens- und prozessrechtliche Beschleunigungsansätze für den Netzausbau
Die aktuelle Planungsbeschleunigungsgesetzgebung knüpft erstens am „klassischen“ Ansatz an, der Beschleunigungspotential regelungstechnisch im Verfahrensrecht sucht:
1. Verfahrensvereinfachung beim länderübergreifenden Netzausbau
Die EnWG-Novelle I wartet mit Einschränkungen der Bundesfachplanung nach dem Netzausbaubeschleunigungsgesetz Übertragungsnetz (NABEG) auf. Das Beschleunigungspotenzial dieser speziellen, für länderübergreifende Netzausbauvorhaben vor über einem Jahrzehnt eingeführten Fachplanung des Trassenkorridors für das nachfolgende Planfeststellungsverfahren gilt generell als umstritten. Nunmehr kann auf die Bundesfachplanung in zwei weiteren Fällen verzichtet werden:
Zum einen soll die Bundesfachplanung entfallen, wenn für ein Netzausbauvorhaben bereits eine Bundesfachplanungsentscheidung gegeben ist und das im Rahmen der turnusgemäßen Netzentwicklungsplanung neu oder modifiziert geplante länderübergreifende Netzausbauvorhaben im selben Trassenkorridor verläuft (§§ 5a Abs. 4 Satz 1 NABEG, 2 Abs. 7 Satz 2 u. 3 BBPlG n.F., 12b Abs. 3a EnWG n.F.). Hintergrund dieser sog. Bündelungsoption dürfte sein, dass eine „wiederholte“ Bundesfachplanung hier überflüssig erscheint (vgl. BT-Drs. 20/1599, S. 2 f. u. 52 f.).
Zum anderen wird für geplante Neubaumaßnahmen zur Höchstspannungs-Gleichstrom-Übertragung (i.d.R. als Erdkabel, vgl. § 2 Abs. 5 BBPlG) oder für den länderübergreifenden landseitigen Teil einer Offshore-Anbindungsleitung, die noch nicht im Netzentwicklungsplan bestätigt wurden und für die keine Bündelungsoption (s. zuvor) besteht, das Instrument der Bundesfachplanung durch die Festlegung eines sog. Präferenzraums durch die Bundesnetzagentur (BNetzA) ersetzt. Grundlage des Präferenzraums sind vorhandene Daten zur großräumigen Umweltsituation für die Neubaumaßnahme (§§ 5a Abs. 4a NABEG n.F., 12c Abs. 2a EnWG n.F.). Diese Präferenzräume gehen in die Strategische Umweltprüfung zum Bundesbedarfsplan ein und bilden die Grundlage für die Alternativenprüfung auf der Ebene der Planfeststellung (§ 18 Abs. 3c NABEG n.F.). Hintergrund dieser Neuregelung dürfte sein, das Ziel der Bundesfachplanung auf abgekürztem Wege, sprich ohne Beteiligungsverfahren, zu erreichen (vgl. BT-Drs. 20/1599, S. 53).
Im Ergebnis dürfte sich der Anwendungsbereich der Bundesfachplanung nunmehr insbesondere auf länderübergreifende Freileitungsvorhaben, für die keine Bündelungsoption (s. zuvor) besteht, beschränken.
2. Verfahrensfreistellung von (kleinräumigen) Anpassungsmaßnahmen beim Netzausbau
Von der Verpflichtung, ein Planfeststellungsverfahren durchzuführen, werden nach der jüngst in Kraft getretenen EnWG-Novelle II ausgenommen:
- Hochspannungsfreileitungen bis 200 Metern Länge, soweit diese nicht in einem Natura2000-Gebiet liegen, § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b) EnWG n.F.
- Der Austausch von (leistungsfähigeren) (Hochtemperatur-)Leiterseilen, indem er aus dem Begriff der planfeststellungspflichtigen Änderung ausgeklammert wird, d.h. insoweit ist kein Zulassungsverfahren erforderlich, §§ 43f Abs. 5 EnWG, 3 Abs. 1 NABEG n.F.
- Errichtung, Betrieb und Änderung von Provisorien im Leitungsbau gemäß dem neuen § 43 Abs. 1 Satz 2 f. EnWG.
Fakultativ bleibt eine Planfeststellung jeweils möglich, vgl. §§ 43 Abs. 2, 43f EnWG n.F. Die erstgenannte Neuregelung dürfte Beschleunigungspotenzial z.B. bei sog. Leitungseinführungen in Umspannwerke o.ä. ergeben. Die weiteren Neuregelungen bewirken jedenfalls eine begrüßenswerte Klarstellung bislang bestehender Rechtsunklarheiten. Die materiell-rechtlichen Standards müssen allerdings gleichwohl eingehalten und geprüft werden (vgl. BT-Drs. 20/9187, S. 156).
3. Soll-Zulassung des vorzeitigen Beginns
Unter verfahrensrechtlichen Gesichtspunkten bezweckt die bereits mit der EnWG-Novelle I erfolgte Einführung einer „Soll“-Zulassung des vorzeitigen Beginns sowie die Streichung der Prüfungsvoraussetzung „Verfügung des Vorhabenträgers über private Rechte“ mit dem neugefassten § 44c EnWG eine Beschleunigung. Die Zeitersparnis wird darin gesehen, dass sich der Vorhabenträger parallel um den Erhalt des Bescheids und den – mangels enteignungsrechtlicher Vorwirkung des vorzeitigen Beginns erforderlichen – Flächenzugriff bemühen kann (vgl. BT-Drs. 20/2402, S. 45).
4. Klarstellungen beim Einsatz eines Projektmanagers
Mit der Einfügung einer neuen Nummer 10 in § 43g Absatz 1 EnWG bzw. § 29 NABEG im Rahmen der EnWG-Novelle I wird klargestellt, dass der Projektmanager auch Entwürfe von Entscheidungen (Planfeststellungsentscheidungen, Duldungsverfügungen betreffend Vorarbeiten, Zulassung des vorzeitigen Beginns usw.) erstellen darf. Diese Klarstellung bezweckt offensichtlich die Entlastung der Zulassungsbehörde, die gemäß § 43g Absatz 3 n.F. in der Sache gleichwohl verantwortlich bleibt. Eine derartige „Privatisierung“ von ureigenen Staatsaufgaben mag man kritisieren können. Zumindest in Fällen (nur) punktueller Belastungsspitzen erscheint ein weitreichender Einsatz von Projektmanagern durchaus sinnvoll und pragmatisch.
5. Beschleunigung im Verwaltungsprozessrecht
Als erster Teil des „Herbstpakets“ 2022 wurde die VwGO-Novelle umgesetzt. Auch für Netzausbauprojekte gilt demnach: Beschleunigungspotenziale sollen etwa durch die Möglichkeit verkleinerter Spruchkörper bei den OVG und beim BVerwG, d.h. durch Erschließung „neuer“ richterlicher Personalressourcen, gehoben werden (§§ 9 Abs. 4 u. 10 Abs. 4 VwGO). Weiter können die Gerichte – dies ist eine zentrale Neuerung – im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes gewisse Mängel der Zulassungsentscheidung außer Acht lassen, wenn offensichtlich ist, dass diese zeitnah behoben werden (§ 80 c Abs. 2 VwGO n.F.). Auch sollen die Gerichte die Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung auf die Teilbereiche der Zulassungsentscheidung beschränken, deren Umsetzung irreversible Folgen hat (§ 80c Abs. 3 VwGO n.F.).
III. „Materielle“ Beschleunigungsansätze
Dass sich „Verfahrensbeschleunigung“ nicht allein durch Modifikationen des Verfahrensrechts erreichen lässt, wird seit Langem betont; der Gesetzgeber hat dies nunmehr – nach ersten Ansätzen insbesondere im LNG-Gesetz – auch und weitergehend für der Netzausbau aufgegriffen:
1. Neuer § 43m EnWG: Verzicht auf UVP und besonderen Artenschutz
Ein weitgehender materieller Ansatz zur Beschleunigung gilt nach der sog. EU-Notfallverordnung, die vormals bis zum Ablauf des 30. Juni 2024 befristet war und zwischenzeitlich um ein Jahr verlängert worden ist. Für Anlagen der Erneuerbaren Energien wie für den Netzausbau wird für den Fall naturschutzrechtlicher Ausnahmeentscheidungen festgelegt, dass an der Ausbaumaßnahme grundsätzlich ein überwiegendes öffentliches Interesse besteht (Art. 3). Insbesondere aber können die Mitgliedstaaten für bestimmte Netzausbauprojekte nicht nur von der Durchführung der UVP, sondern auch von der regulären „kartierintensiven“ Prüfung des besonderen Artenschutzrechts nach der FFH- und Vogelschutzrichtlinie absehen (Art. 6).
Die EU-Notfallverordnung platzte mitten in die Umsetzung des „Sommerpakets“ hinein. Für Netzausbauprojekte der Bundesfach- und Bundesbedarfsplanung (insoweit ist mit der EnWG-Novelle II zuletzt eine wichtige Klarstellung erfolgt, siehe § 43m Abs. 1 Satz 3 EnWG n.F., vgl. BT-Drs. 20/8165, S. 13) hat der deutsche Gesetzgeber im Rahmen des ROGÄndG von der europarechtlichen „Ermächtigung“, auf eine UVP sowie die Prüfung des besonderen Artenschutzrechts zu verzichten, kurzerhand mit dem neuen § 43m EnWG Gebrauch gemacht. Insoweit wurden weitreichende flankierende Vorgaben, u.a. für die fachplanerische Abwägung, eingeführt, die dieser Tage allerdings erheblichen juristischen Klärungsbedarf zwischen Übertragungsnetzbetreibern und Zulassungsbehörden auslösen.
2. Überragendes öffentliches Interesse für Hochspannungsleitungen
Nach der EnWG-Novelle II kommt der Errichtung und dem Betrieb von allen Hochspannungsleitungen gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 4 EnWG das überragende öffentliche Interesse zu; der beschleunigte Ausbau ist als vorrangiger Belang in Schutzgüterabwägungen einzustellen (§§ 43 Abs. 3a EnWG, 1 Abs. 2 NABEG).
3. Einschränkung der fachplanungsrechtlichen Alternativenprüfung für Hochspannungsleitungen nach dem EnWG
Darüber hinaus sieht die EnWG-Novelle II Einschränkungen bei der fachplanungsrechtlichen Alternativenprüfung vor:
- Bei der Änderung von Bestandsleitungen, Ersatzneubauten und Parallelneubauten gemäß § 43 Abs. 3 Satz 3 EnWG n.F. ist die Alternativenprüfung auf den Raum in und unmittelbar neben der Bestandstrasse beschränkt, sofern nicht zwingende Gründe – namentliche solche des FFH-Gebietsschutz- bzw. des besonderen Artenschutzrechts – entgegenstehen.
- Generell genügt eine Grobprüfung; eine detaillierte Prüfung ist erst angezeigt, wenn sich eine Alternative als eindeutig bessere erweisen könnte, § 43 Abs. 3b EnWG n.F.; § 18 Abs. 4 NABEG n.F.
- Die Belange der schnellstmöglichen Errichtung, des möglichst geradlinigen Verlaufs (grds.) und der Wirtschaftlichkeit der Errichtung und Betriebsweise der Hochspannungsleitungen haben in der Abwägung ein herausgehobenes Gewicht, § 43 Abs. 3c EnWG n.F.
Inwieweit diese Einschränkungen tatsächlich zu einer Verfahrensbeschleunigung führen, bleibt abzuwarten. Zumindest hat der Gesetzgeber erkannt, dass eine bereits nach bisherigem Recht durchgeführte Alternativenprüfung im laufenden Verfahren nicht zwingend nochmals neu durchgeführt werden muss. Denn bis zum Ablauf des 29. Februar 2024 besteht für Vorhabenträger die Möglichkeit, dem Planfeststellungsverfahren per „Opt-Out“ die bisherige Rechtslage weiterhin zugrunde zu legen (§§ 118 Abs. 49, 50 EnWG).
4. Weitere materiell-rechtliche Vereinfachungen im „zwingenden Recht“
Bei Änderungsvorhaben, die (offensichtlich) nicht zu Änderungen der Beurteilungspegel nach der TA Lärm führen (z.B. Einführung eines witterungsabhängigen Freileitungsbetriebs, vgl. BT-Drs. 20/1599, S. 60), wird auf die Feststellung der Vereinbarkeit von Koronageräuschen mit der TA Lärm verzichtet (neuer § 43f Absatz 2 Satz 3 EnWG nach der EnWG-Novelle I).
Neu ist hier auch die Regelung gemäß § 49 Abs. 2c EnWG, wonach witterungsbedingte Anlagengeräusche von Höchstspannungsnetzen unabhängig von der Häufigkeit und Zeitdauer der sie verursachenden Wetter- und insbesondere Niederschlagsgeschehen bei der Beurteilung des Vorliegens schädlicher Umwelteinwirkungen im Sinne von § 3 Absatz 1 und § 22 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes als seltene Ereignisse im Sinne der TA Lärm gelten. Bei seltenen Ereignissen kann der Nachbarschaft eine höhere als die nach Nummer 6.1 der TA Lärm zulässige Belastung zugemutet werden.
Diese Beschleunigungsansätze sind begrüßenswert, da es nicht um eine neue Toleranz dauerhafter Beeinträchtigungen geht, sondern um einen pragmatischen Umgang mit einer in der Regel nur vorübergehenden Belastungslage.
IV. Digitalisierung von Verfahrensschritten
Wesentliche Bestandteile eines Planfeststellungsverfahrens bilden die Einreichung der Planunterlagen, die Behördenbeteiligung, die öffentliche Auslegung und Bekanntmachung, die Öffentlichkeitsbeteiligung durch Einsicht in die Planunterlagen, die Erhebung von Einwendungen und die Erörterung der Einwendungen, sowie der Planfeststellungsbeschluss. § 43a EnWG bzw. §§ 18 ff. NABEG modifizieren bereichsspezifisch das allgemeine Planfeststellungsrecht (§§ 72 ff. VwVfG). Insoweit verspricht sich der Gesetzgeber Beschleunigungspotential auch und drittens durch eine weitreichende Digitalisierung der klassischerweise analog geprägten Verfahrensschritte:
1. 5. VwVfGÄndG
In allgemeiner Hinsicht ist hier zunächst das jüngst in Kraft getretene 5. VwVfGÄndG beachtlich, mit dem der Gesetzgeber wesentliche Vorschriften des Planungssicherstellungsgesetzes (PlanSiG) aus der „Corona“-Zeit im allgemeinen Planfeststellungsrecht verstetigt:
- Für das Erfordernis von „ortsüblichen Bekanntmachungen“ (betr. Auslegung der Planunterlagen und Bekanntgabe des Planfeststellungsbeschlusses) gilt neuerdings, dass hierzu auch die Zugänglichmachung im Internet (Homepage der Gemeinde) erforderlich ist; im Übrigen verbleibt es bei der tradierten „analogen“ Vorgehensweise (z.B. Amtsblattveröffentlichung), wobei maßgeblich die Internetveröffentlichung ist (§§ 73 Abs. 5 Satz 1 bzw. 74 Abs. 4 Satz 2 2. Hs. VwVfG n.F. i.V.m. 27a VwVfG n.F.).
- Für die Auslegung selbst gilt in ähnlicher Weise, dass sie in erster Linie durch Zugänglichmachung der Unterlagen im Internet (Homepage der Gemeinde) zu erfolgen hat; zudem muss die Auslegung „in einer anderen Weise“ (analog oder etwa durch öffentlich zugängliche Lesegeräte, vgl. BT-Drs. 20/8299, S. 20) erfolgen (§§ 73 Abs. 2 n.F. bzw. §§ 74 Abs. 4 Satz 2 i.V.m. 27b VwVfG).
- Schließlich können Erörterungstermine nunmehr auch ohne pandemischen Hintergrund nach freiem Ermessen durch sog. Online-Konsultationen ersetzt werden (§ 27c EnWG).
Demgegenüber verbleibt es für die Erhebung von Einwendungen beim grundsätzlichen Schriftformerfordernis (§ 73 Abs. 4 Satz 1 VwVfG). Insoweit wird lediglich der Katalog der zugelassenen schriftformersetzenden elektronischen Formen (bislang: qualifizierte elektronische Signatur nach eIDAS-VO, Abgabe der Erklärung in einem elektronischen Formular mit elektronischem Identitätsnachweis oder Versand mittels DE-Mail-Account, § 3a VwVfG a.F.) um weitere Einzelfälle wie z.B. die Versendung aus dem besonderen elektronischen Anwaltspostfach (beA) erweitert (§ 3a VwVfG n.F.).
2. Spezialvorschriften der Digitalisierung des Planfeststellungsverfahrens nach EnWG und NABEG
Die EnWG-Novelle II modifiziert sodann die jüngst erfolgte Digitalisierung der allgemeinen Verfahrensschritte (siehe zuvor) wie folgt:
- Auslegung der Planunterlagen alleine durch Zugänglichmachung auf der Homepage der zuständigen Behörde; lediglich auf Verlangen eines Beteiligten muss diesem eine alternative, leicht zu erreichende Zugangsmöglichkeit zur Verfügung gestellt werden (§ 43a Satz 2 f. EnWG). Zudem ist dabei nur ausnahmsweise an eine analoge Form gedacht (BT-Drs. 20/9187, S. 160).
- Öffentliche Bekanntgabe des Planfeststellungsbeschlusses durch Zugänglichmachung auf der Behördenhomepage und zusätzlich durch Bekanntmachung mit seinem verfügenden Teil und der Rechtsbehelfsbelehrung sowie einem Hinweis auf die Zugänglichmachung im Internet in örtlichen Tageszeitungen, die in dem Gebiet, auf das sich das Vorhaben voraussichtlich auswirken wird, verbreitet sind (§ 43b Absatz 1 Nr. 3 EnWG).
Entsprechende Vorschriften enthält seit der EnWG-Novelle I das NABEG (§ 22 Absatz 3 S. 2 u. 24 Abs. 2). Bei näherem Hinsehen bewirken die neuen speziellen Vorschriften eine gegenüber den neuen allgemeinen Verfahrensregeln gesteigerte Digitalisierung des Verfahrensrechts bei Netzausbauvorhaben. Hinsichtlich der Auslegung betrifft dies eine weitere Zurückdrängung analoger Einsichtsmöglichkeiten, die hier nur auf Verlangen eines Beteiligten gewährt werden können. Hinsichtlich der Bekanntgabe des Planfeststellungsbeschlusses wird der Umfang des analogen Weges verringert. Abweichend vom allgemeinen Verfahrensrecht (d.h. „auch“ herkömmliche Auslegung des Planfeststellungsbeschlusses, s. zuvor) müssen hier nur der Tenor und die Rechtsbehelfsbelehrung in einer örtlichen Tageszeitung veröffentlicht werden.
Nicht recht nachvollziehbar erscheint indes, dass im Bereich von Fachplanungen nach dem EnWG Einwendungen nach wie vor in Schriftform bzw. in schriftformersetzender Form erhoben werden müssen, während dies weder beim NABEG noch beim eingangs angesprochen und am selben Tag in Kraft getretenen Beschleunigungsgesetz Verkehr erforderlich ist; hier genügt vielmehr eine einfache E‑Mail (vgl. die neuen §§ 17a FStrG, 18a AEG, 14a WaStrG und insoweit BT-Drs. 20/6879, S. 58, die im Übrigen auch noch mit weitergehenden digitalen „Klarstellungen“ aufwarten). Während demnach im Verkehrssektor der Weg für die grundlegende Verlagerung des Planfeststellungsverfahrens in den digitalen Raum bereitet wird, etwa in Gestalt von innovativen Vorhabenportalen im Internet bzw. „Apps“, in denen Auslegung, Einwendungen, Einwendungsmanagement, Erwiderung und ggf. Erörterung umfassend integriert digitalisiert erfolgen können, ginge dies beim Netzausbau derzeit – soweit ersichtlich – nur bedingt.
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