Mandanteninformation 14/2024
Am 20. November 2023 ist nach langem Warten die reformierte Europäische Erneuerbare Energien-Richtlinie („Renewable Energy-Directive – „RED III“) in Kraft getreten. Kerninhalte der RED III zum beschleunigten Ausbau von Windenergie Onshore sind bereits vorab in Gestalt der EU-Notfallverordnung geregelt und mit dem Windenergieflächenbedarfsgesetz („WindBG“) umgesetzt worden. Ohne nationale Umsetzung waren bislang die in der RED III vorgesehenen Beschleunigungsgebiete für PV-Freiflächenanlagen und Energiespeicher (Art. 15c RED III). Nun hat die Bundesregierung auch hierfür einen Gesetzentwurf vorgelegt (BT-Drucksache 20/12785 vom 09.09.2024).
Konzept der Beschleunigungsgebiete nach Art. 15c RED III
Eines der Kernelemente der RED III ist die deutliche Anhebung des verbindlichen EU-Ziels für den Anteil Erneuerbarer Energien am Endenergieverbrauch bis 2030 von 32 auf 42,5 Prozent. Ein Kerninhalt der RED III zur Erreichung dieses Ziels ist das Konzept der sog. Beschleunigungsgebiete. Gemäß Art. 15c RED III haben die Mitgliedstaaten 27 Monate Zeit, um solche speziellen Beschleunigungsgebiete für Erneuerbare Energien zu schaffen, in denen sodann Anlagen Erneuerbarer Energien in vereinfachten und schneller durchzuführenden Verfahren genehmigt werden können. So entfallen im Rahmen des Genehmigungsverfahrens in einem Beschleunigungsgebiet etwa die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP), die FFH-Verträglichkeitsprüfung, die artenschutzrechtliche Prüfung sowie die Prüfung der Bewirtschaftungsziele nach § 27 Wasserhaushaltsgesetz (dazu § 6b Abs. 2 und § 6c Abs. 2 WindBG‑E). Im Gegenzug gelten für die Ausweisung der Beschleunigungsgebiete besondere Vorgaben. Für die Festlegung des Gebiets muss eine sog. Strategische Umweltprüfung (SUP) durchgeführt werden, um sicherzustellen, dass die (spätere) Zulassung von Anlagen in dem Beschleunigungsgebiet voraussichtlich keine erheblichen Umweltauswirkungen haben wird. Zudem dürfen Beschleunigungsgebiete, neben anderem, nicht in Natura-2000-Gebieten liegen. Ergänzend müssen für die Beschleunigungsgebiete geeignete Regeln für wirksame Minderungsmaßnahmen bezogen auf pauschaliert angenommene Umweltauswirkungen der EE-Anlagen festgelegt werden, die durch die Träger von Projekten nach der Genehmigung zu ergreifen sind.
Alt: Beschleunigungsgebiete für Windenergie
Wir kennen die praktische Umsetzung der Beschleunigungsgebiete bislang vor allem im Zusammenhang mit der Windenergie. Hier hat der Gesetzgeber schon vor einiger Zeit mit dem Windenergieflächenbedarfsgesetz (WindBG) Flächenziele zur Ausweisung von sog. Windenergiegebieten aufgestellt. In Flächennutzungsplänen ausgewiesene Windenergiegebiete sind zur Erreichung dieser Flächenziele nach dem nun vorgelegten Gesetzentwurf (verpflichtend) als Beschleunigungsgebiete darzustellen, sofern sie bestimmte Voraussetzungen erfüllen (§ 249a BauGB‑E). Diese Regelung war in Fachkreisen bereits lange erwartet worden. Nach den vorgesehenen Übergangsvorschriften sollen in aller Regel auch in Aufstellung befindliche, d.h. noch nicht in Kraft getretene Windenergiegebiete, in Beschleunigungsgebiete „geupgradet“ werden.
Neu: Solarenergiegebiete und Beschleunigungsgebiete Solar
Eine strukturelle Neuaufstellung erfährt der Bereich des Planungsrechtes für PV-Freiflächenanlagen (PV-FFA). Bislang benötigen PV-FFA für das Genehmigungsverfahren einen Bebauungsplan, sofern sie nicht auf einer sog. privilegierten Fläche entlang des 200 Meter-Radius‘ an einer Autobahn oder einem Schienenweg errichtet werden.
Nunmehr wird für PV-FFA die Möglichkeit eines zweistufigen Verfahrens zur Schaffung von Planungsrecht geschaffen:
Nach dem Gesetzentwurf können zukünftig in Flächennutzungsplänen oder, sofern die Länder dies bestimmen, in den Regionalplänen sog. Solarenergiegebiete dargestellt werden.
Die Möglichkeit zur Aufstellung von Solarenergiegebieten ist dabei nicht in Umsetzung der RED III in den Gesetzentwurf gelangt, sondern geht auf eine Vorgabe aus dem Bund-Länder-Pakt für Planungs‑, Genehmigungs- und Umsetzbeschleunigung zurück. Das rechtliche Instrumentarium, bestimmte Gebiete speziell für die Nutzung für die Solarenergieerzeugung vorzusehen, gab es auf der Grundlage des § 11 Abs. 2 BauNVO im Grundsatz zwar schon bislang („Sondergebiet für die Nutzung von Solaranlagen“) – allerdings in der Praxis wenig verbreitet. Mit den Solarenergiegebieten wird nun aber die Möglichkeit eines neuen, bislang in der Systematik des Baugesetzbuches nicht vorgesehenen Planungsrechtes auf der Ebene des Flächennutzungsplanes bzw. Regionalplanes eröffnet, ohne dass es noch der Aufstellung eines Bebauungsplans bedarf.
In den Abwägungsvorgang bei der Aufstellung eines Solarenergiegebietes werden zahlreiche Belange eingestellt, die zukünftig schon auf dieser Planungsebene umfassend abgewogen werden sollen und damit in der Legalisierungswirkung über die Wirkung einer bauplanungsrechtlichen Außen-bereichsprivilegierung weit hinausgehen. Dies umfasst (i) die Belange des Denkmalschutzes, (ii) die Frage der Beeinträchtigung des Erholungswertes der Landschaft oder eine Verunstaltung des Orts- und Landschaftsbildes sowie (iii) die Belange des Bodenschutzes. Wird ein Solarenergiegebiet in einem Landschaftsschutzgebiet (LSG) geplant, wird ergänzend sogar die sog. Befreiungslage, d.h. die Entscheidung darüber, ob ausnahmsweise eine PV-FFA in dem LSG errichtet werden darf, mit abgearbeitet.
Im Ergebnis entsteht diesem weitgehenden Prüfprogramm bei der Aufstellung der Solarenergiegebiete entsprechend eine Flächenkulisse, die für Projektierer von PV-FFA eine Art „erweitert privilegierte“ Fläche darstellt. Denn in einem Solarenergiegebiet ist die Errichtung einer PV-FFA quasi nicht nur bauplanungsrechtlich privilegiert im Sinne des § 35 Abs. 1 BauGB, auch ihre Vereinbarkeit mit den Schutzzwecken eines LSG, dem Denkmalschutz oder den Belangen des Bodenschutzes ist bereits vorbestimmt und muss im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens nicht erneut geprüft werden. Damit schmilzt der Prüfumfang im Genehmigungsverfahren für eine PV-FFA in einem solchen Solarenergiegebiet ganz erheblich ab und beschränkt sich im Wesentlichen nur noch auf die Frage des Vorliegens einer ausreichenden Erschließung sowie darauf, ob der Projektierer eine Rückbau- und Bodenentsiegelungsverpflichtung eingeht. Vor allem aber bedarf es der vorherigen Schaffung eines Bebauungsplanes für PV-FFA nicht mehr.
Nach dem Vorbild der Windenergie können zukünftig auch die Solarenergiegebiete auf Beschleunigungsgebiete für die Solarenergie „geupgradet“ werden (§ 249c BauGB‑E). Insoweit gelten dann dieselben Regeln, wie auch für die Windenergie (dazu oben). Für die denkbaren Minderungsmaßnahmen, die im Gebiet selbst festzusetzen sind, enthält der vorgelegte Gesetzentwurf erstmalig einheitliche Kriterien und benennt nach Art eines Instrumentenkastens konkret denkbare bau‑, anlage- und betriebsbedingte Maßnahmen.
Neues Planungsrecht auch für Batteriespeicher
Batterie-Energiespeichersysteme (BESS) werden erstmalig in einem Gesetzentwurf ausdrücklich mit planungsrechtlichen Vorschriften bedacht. Bislang mussten BESS entweder in einem Bebauungsplan für Wind- oder Solarenergie mitgeplant werden – sei als Nebenanlage oder mit einer eigenen Festsetzung –, oder es musste argumentiert werden, dass BESS im bauplanungsrechtlichen Außenbereich nach § 35 Abs. 1 BauGB privilegiert sind. Insoweit lässt sich vertreten, dass BESS selbstständig eine Anlage darstellen, die der öffentlichen Versorgung dienen nach § 35 Abs. 1 Nr. 3 BauGB, oder – je nach Fall – dass sie von einer anderen Energieerzeugungs- oder Infrastrukturanlage in die Außenbereichsprivilegierung im Rechtssinne „mitgezogen“ werden.
Nunmehr können „Vorhaben zur Speicherung von Energie“ in Windenergiegebieten nach dem WindBG und in den Solarenergiegebieten mit vorgesehen werden, wenn sie im „räumlich-funktionalen Zusammenhang“ stehen mit einer Wind- oder Solarenergieanlage, und „gegenüber dieser eine dienende Funktion“ aufweisen (§ 249 Abs. 6 BauGB‑E, § 249b Abs. 1 Satz 2 BauGB‑E). Auch damit wird eine Vorgabe aus Art. 15c der RED III umgesetzt.
Voraussetzung ist, dass der Batteriespeicher am selben Netz-verknüpfungspunkt angeschlossen ist, wie die Anlage zur Erzeugung von Erneuerbarer Energie. Für das Bestehen des geforderten räumlich-funktionalen Zusammenhangs zwischen der EE-Erzeugungsanlage und dem Batteriespeicher wird nach der vorgesehenen Gesetzesbegründung zum einen verlangt, dass der Speicher die Erzeugungsanlage bei der Markt- und Netzintegration des erzeugten Stroms unterstützt; nicht erforderlich ist allerdings, dass die vorgesehene Betriebsweise des Speichers sich auf die Speicherung des vor Ort erzeugten Grünstroms beschränkt. Zum anderen muss der Batteriespeicher im Verhältnis zur Größe der Windenergieanlagen bzw. des Solarparks hinsichtlich des Flächenverbrauchs „weniger ins Gewicht“ fallen. Spätestens ab einer Flächenausdehnung des Batteriespeichers von zwei Hektar oder einer Höhe von acht Metern soll davon auszugehen sein, dass die Kriterien des räumlich-funktionalen Zusammenhangs und der dienenden Funktion nicht mehr erfüllt sind und es sich vielmehr um eine eigenständige Speicherinfrastruktur handelt.
Werden das Wind- oder Solarenergiegebiet auf ein Beschleunigungsgebiet „geupgradet“, erstrecken sich die Erleichterungen im Genehmigungsverfahren auch auf die mit ausgewiesenen Batteriespeicher.
Bewertung und Ausblick
Der vorliegende Gesetzentwurf verknüpft Umsetzungspflichten aus der RED III mit nationalen Vorgaben zur Genehmigungsbeschleunigung aus dem Bund-Länder-Pakt.
Ein Kerninhalt ist die aufgewertete Möglichkeit, die Ansiedlung von PV-FFA über Regionalplanungen oder Planungen der Gemeinden mittels Ausweisung der Solarenergiegebiete zu steuern. Insoweit hat der Gesetzgeber sich gegen eine weitergehende Privilegierung von PV-FFA im Außenbereich und dafür entschieden, hier weiterhin den staatlichen Planungsträgern die Oberhand zu belassen. Für die Planungsträger bedeutet dies, in den Gemeindegebieten Potenzialflächen für Solarenergie zu identifizieren und auszuweisen. Verpflichtet sind sie dazu aber nicht, soweit die Flächenziele für den Ausbau Erneuerbarer Energien bereits durch die Windenergie erfüllt werden. Als Motivation zur Ausweisung von Flächen nunmehr auch für die Solarenergie dienen allein die gesetzlichen Ausbauziele. Dies dürfte die ohnehin sehr beschränken Kapazitäten vieler Planungsträger, die nunmehr zusätzlich aufgefordert sind, gemeindliche Standortkonzepte oder kommunale Energiekonzepte zu erstellen, erheblich belasten.
Für Projektierer dürften die vorgesehenen Neuregelungen kurzfristig die Hürde mit sich bringen, dass Gemeinden Ersuche zur Aufstellung von Bebauungsplänen zurückstellen könnten, um zunächst das in Krafttreten der hier beschriebenen Neuregelungen abzuwarten und ihre vorhandenen Kapazitäten sodann darauf zu konzentrieren. Dies gilt umso mehr, als mit der Möglichkeit zur Ausweisung von Solarenergiegebieten ein systematisch bislang im deutschen Baurecht nicht vorhandenes Planungsinstrument geschaffen wird, dass die zu prüfenden Anforderungen bei der Zulassung von PV-FFA von der Ebene des Zulassungsverfahren größtenteils auf die Ebene der Flächennutzungs- bzw. Regionalplanung hochzont. Dies macht die Aufstellung von Solarenergiegebietsplänen für die zuständigen Träger herausfordernd und aufwändig. Es bleibt abzuwarten, ob sich die Nutzung dieses Planungsinstrumentes nach Inkrafttreten des Gesetzesentwurfes durchsetzen wird.
Für Projektierer lohnt es sich in jedem Fall, innerhalb von festgesetzten Beschleunigungsgebieten die dort vorgesehenen Minderungsmaßnahmen sorgfältig in Relation zur Wirtschaftlichkeit des eigenen Vorhabens zu prüfen.
Mit Blick auf Batteriespeicher verspricht der Gesetzentwurf praktisch betrachtet keine erheblichen Vereinfachungen in der Erlangung von Baurecht. Selbst wenn Speicher in den Wind- oder Solarenergiegebieten in relevantem Umfang mit vorgesehen werden, dürften die von den staatlichen Planungsträgern vorgesehenen Standorte nicht zwingend attraktiv für Projektierer sein. Auch hier bleibt die Praxisrelevanz demnach abzuwarten.
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