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CIR­CU­LAR ECONOMY

Tübin­ger Steu­er auf Ein­weg­ver­pa­ckun­gen verfassungskonform

By 23. Janu­ary 2025No Comm­ents

Man­dan­ten­in­for­ma­ti­on 03/2025

Mit einem jüngst ver­öf­fent­lich­ten Beschluss vom 27.11.2024 hat das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt ent­schie­den, dass eine kom­mu­na­le Ver­brauchs­steu­er auf Ein­weg­le­bens­mit­tel­ver­pa­ckun­gen, Ein­weg­ge­schirr und Ein­weg­be­steck mit dem Grund­ge­setz ver­ein­bar ist. Die Ver­fas­sungs­be­schwer­de der (ehe­ma­li­gen) Betrei­be­rin eines Fast-Food-Restau­rants, die sich gegen eine der­ar­ti­ge Steu­er­erhe­bung durch die Stadt Tübin­gen wen­de­te, wur­de als unbe­grün­det zurückgewiesen.

Sach­ver­halt und pro­zes­sua­le Vorgeschichte

Am 01.01.2022 trat in Tübin­gen die Ver­pa­ckungs­steu­er­sat­zung (VStS) in Kraft, mit der eine kom­mu­na­le Ver­brauchs­steu­er auf nicht wie­der­ver­wend­ba­re Ver­pa­ckun­gen (Ein­weg­ver­pa­ckun­gen), nicht wie­der­ver­wend­ba­res Geschirr (Ein­weg­ge­schirr) sowie auf nicht wie­der­ver­wend­ba­res Besteck (Ein­weg­be­steck) erho­ben wird, sofern Spei­sen und Geträn­ke dar­in bzw. damit für den unmit­tel­ba­ren Ver­zehr an Ort und Stel­le oder als mit­nehm­ba­res take-away-Gericht oder ‑Getränk ver­kauft wer­den. Der Steu­er­satz beträgt pro Ein­weg­ver­pa­ckung und Ein­weg­ge­schirr­teil je 0,50 Euro und 0,20 Euro für jedes Ein­weg­be­steck­set. Zur Ent­rich­tung der Steu­er sind die End­ver­käu­fer der Spei­sen und Geträn­ke ver­pflich­tet; inten­diert ist aller­dings eine Abwäl­zung der Steu­er auf die Käu­fer. Ziel der Besteue­rung ist neben der Gene­rie­rung von Ein­nah­men zum städ­ti­schen Haus­halt eine Ver­rin­ge­rung der Ver­mül­lung durch im öffent­li­chen Raum ent­sorg­te „To-go“-Verpackungen sowie die Schaf­fung eines Anrei­zes zur Ver­wen­dung von Mehr­weg­sys­te­men; inso­fern weist die Tübin­ger Ver­pa­ckungs­steu­er einen Len­kungs­cha­rak­ter auf.

Gegen die Erhe­bung der Ver­pa­ckungs­steu­er wen­de­te sich die (dama­li­ge) Betrei­be­rin eines Tübin­ger Fast-Food-Restau­rants zunächst erfolg­reich mit einem ver­wal­tungs­ge­richt­li­chen Nor­men­kon­troll­an­trag beim Ver­wal­tungs­ge­richts­hof Baden-Würt­tem­berg. Die­ser erklär­te die Tübin­ger Ver­pa­ckungs­steu­er­sat­zung für unwirk­sam und stell­te inso­weit maß­geb­lich auf eine frü­he­re Ent­schei­dung des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts aus dem Jahr 1998 ab, in der die len­ken­de Ver­pa­ckungs­steu­er der Stadt Kas­sel als unver­ein­bar mit den abfall­recht­li­chen Rege­lun­gen des Bun­des ange­se­hen wor­den war. Die dage­gen gerich­te­te Revi­si­on der Stadt Tübin­gen beim Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt hat­te aller­dings Erfolg, wel­ches ins­be­son­de­re die genann­te Ent­schei­dung des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts ange­sichts zwi­schen­zeit­li­cher Ände­run­gen des Abfall­rechts für die gegen­wär­ti­ge Rechts­la­ge nicht mehr als maß­geb­lich ansah und im Ergeb­nis die Tübin­ger Ver­pa­ckungs­steu­er im Wesent­li­chen für recht­mä­ßig erach­te­te. 

Ent­schei­dung des Bundesverfassungsgerichts

Da sich die Betrei­be­rin des Fast-Food-Restau­rants mit die­ser Ent­schei­dung nicht abfin­den woll­te, leg­te sie beim Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt Ver­fas­sungs­be­schwer­de ein, mit der sie eine Ver­let­zung ihrer grund­recht­lich gewähr­leis­te­ten Berufs­frei­heit gel­tend mach­te. Ohne Erfolg – denn das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt hat nun­mehr bestä­tigt, dass die Tübin­ger Ver­pa­ckungs­steu­er nicht gegen das Grund­ge­setz ver­stößt. 

Ver­fas­sungs­recht­li­che Fragestellungen

Im Ein­zel­nen hat­te sich das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt mit fol­gen­den zen­tra­len ver­fas­sungs­recht­li­chen Fra­gen zu befas­sen: Han­delt es sich bei der Tübin­ger Ver­pa­ckungs­steu­er um eine ört­li­che Ver­brauchs­steu­er, für die Art. 105 Abs. 2a Satz 1 GG die Gesetz­ge­bungs­kom­pe­tenz den Län­dern zuweist (und die nach baden-würt­tem­ber­gi­schen Kom­mu­nal­ab­ga­ben­recht von den Gemein­den aus­ge­übt wer­den darf), liegt also eine Ver­brauchs­steu­er vor, die mit bun­des­ge­setz­lich gere­gel­ten Steu­ern nicht gleich­ar­tig ist und den not­wen­di­gen Orts­be­zug auf­weist? Ver­stößt die Steu­er­erhe­bung gegen das Gebot der Wider­spruchs­frei­heit der Rechts­ord­nung, weil sie bun­des­recht­li­chen Sach­re­ge­lun­gen zuwi­der­läuft, wie es in der frü­he­ren Ent­schei­dung für die Kas­se­ler Ver­pa­ckungs­steu­er ange­nom­men wur­de? Wird der Grund­satz der Bun­destreue verletzt?

Gesetz­ge­bungs­kom­pe­tenz

Zur Fra­ge der Gesetz­ge­bungs­kom­pe­tenz führt das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt zunächst aus, dass es sich bei der Tübin­ger Ver­pa­ckungs­steu­er tat­säch­lich um eine Steu­er im Sin­ne des Grund­ge­set­zes han­de­le. Ins­be­son­de­re lie­ge trotz des Len­kungs­cha­rak­ters kein fak­ti­sches Ver­bot des Ver­kaufs von Lebens­mit­teln und Geträn­ken in Ein­weg­ver­pa­ckun­gen oder mit Ein­weg­be­steck vor, wel­ches mit dem Zweck einer Steu­er, Ein­nah­men zu erzie­len, unver­ein­bar sei. Die­se Steu­er sei ihrer Art nach auch eine Ver­brauchs­steu­er; der Ver­brauch der Ein­weg­ar­ti­kel lie­ge dar­in, dass die­se beim Ver­zehr der Spei­sen und Geträn­ke end­gül­tig jede Funk­ti­on verlieren.

Eine von Art. 105 Abs. 2a GG aus­ge­schlos­se­ne Gleich­ar­tig­keit zu bun­des­ge­setz­lich gere­gel­ten Steu­ern ist nach Auf­fas­sung des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts nicht gege­ben. Wegen des Ver­bots der Gleich­ar­tig­keit dür­fe der in Rede ste­hen­de Steu­er­tat­be­stand nicht den­sel­ben Belas­tungs­grund erfas­sen wie eine Bun­des­steu­er, son­dern müs­se sich in Gegen­stand, Bemes­sungs­grund­la­ge, Erhe­bungs­tech­nik und wirt­schaft­li­cher Aus­wir­kung von der Bun­des­steu­er unter­schei­den. Kein Gleich­ar­tig­keits­ver­bot besteht nach Ansicht des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts dem­ge­gen­über im Ver­hält­nis zu bun­des­ge­setz­li­chen Abga­ben, die den Steu­er­be­griff nicht erfül­len. Auf die Fra­ge, ob die Ver­pa­ckungs­steu­er der im Ein­weg­kunst­stoff­fonds­ge­setz gere­gel­ten Ein­weg­kunst­stoff­ab­ga­be gleich­ar­tig ist, kommt es daher nach der Ent­schei­dung des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts von vorn­her­ein nicht an, weil es sich bei die­ser Abga­be nicht um eine Steu­er han­delt. Kenn­zeich­nend für eine Steu­er ist näm­lich, dass sie ohne indi­vi­du­el­le Gegen­leis­tung und unab­hän­gig von einem bestimm­ten Zweck zur Deckung des all­ge­mei­nen Finanz­be­darfs eines öffent­li­chen Gemein­we­sens erho­ben wird. Da die Ein­weg­kunst­stoff­ab­ga­be dem Ein­weg­kunst­stoff­fonds zufließt und somit der Deckung von Kos­ten, die bei der Bewäl­ti­gung der nach­tei­li­gen Aus­wir­kun­gen einer Ver­wen­dung von Ein­weg­kunst­stoff­pro­duk­ten auf die Umwelt und die mensch­li­che Gesund­heit, ins­be­son­de­re durch die Rei­ni­gung des öffent­li­chen Raums, ent­ste­hen, dient, liegt im Fal­le der Ein­weg­kunst­stoff­ab­ga­be kei­ne Steu­er, son­dern eine nicht­steu­er­li­che Abga­be vor, wobei das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt die abschlie­ßen­de Ein­ord­nung unter die ver­schie­de­nen Typen von nicht­steu­er­li­chen Abga­ben – etwa als Son­der­ab­ga­be – offen­ge­las­sen hat. 

Als Ver­gleichs­maß­stab für die Prü­fung des Gleich­ar­tig­keits­ver­bots zieht das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt vor die­sem Hin­ter­grund letzt­lich nur die bun­des­ge­setz­lich gere­gel­te Umsatz­steu­er her­an. Ver­pa­ckungs­steu­er und Umsatz­steu­er hät­ten – so das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt – jedoch ver­schie­de­ne Belas­tungs­grün­de: Belas­tungs­grund für die Umsatz­steu­er sei die Nach­fra­ge in einer bestimm­ten, im Preis aus­ge­drück­ten Wert­hö­he, wäh­rend Belas­tungs­grund der Ver­pa­ckungs­steu­er der Ver­brauch von Ein­weg­ar­ti­keln in einer bestimm­ten Stück­zahl sei. 

Auch der erfor­der­li­che Orts­be­zug wird vom Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt im Ergeb­nis bejaht. Kei­ne Pro­ble­me sieht das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt hin­sicht­lich die­ser Anfor­de­rung, soweit die Steu­er­pflicht tat­be­stand­lich an den Ver­kauf von Waren zum Ver­brauch an Ort und Stel­le anknüpft. Nach Auf­fas­sung des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts kann die Ört­lich­keit aber auch bei Waren gege­ben sein, die nicht zum Ver­brauch an Ort und Stel­le des Ver­kaufs bestimmt sind, wenn die­ser Ver­brauch typi­scher­wei­se im Gemein­de­ge­biet erfolgt. Neben der Beschaf­fen­heit der Ware sei­en dabei wei­te­re Gege­ben­hei­ten zu berück­sich­ti­gen wie etwa die Ver­sor­gungs­struk­tur oder die Grö­ße der Gemein­de. 

In die­sem Zusam­men­hang legt das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt sei­ner Prü­fung eine bereits durch das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt ver­tre­te­ne ver­fas­sungs­kon­for­me Aus­le­gung der Tübin­ger Rege­lung zugrun­de, wonach als Ver­kauf von „mit­nehm­ba­ren take-away-Gerich­ten oder ‑Geträn­ken“ nur der Ver­kauf von nach ihrer Zube­rei­tung und Ver­pa­ckung zum sofor­ti­gen Ver­brauch bestimm­ten Spei­sen und Geträn­ke erfasst wird, nicht jedoch der Ver­kauf von Spei­sen und Geträn­ken in fest ver­schlos­se­nen oder fabrik­mä­ßig abge­pack­ten Behält­nis­sen. Mit die­ser Ein­schrän­kung konn­te nach Auf­fas­sung des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts ver­tret­bar ange­nom­men wer­den, dass der Ver­brauch typi­scher­wei­se inner­halb des Gemein­de­ge­biets erfolgt.

Wider­spruchs­frei­heit der Rechtsordnung

Nach der Beja­hung der Gesetz­ge­bungs­kom­pe­tenz wen­det sich das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt der Fra­ge zu, ob die Tübin­ger Ver­pa­ckungs­steu­er den rechts­staat­li­chen Grund­satz der Wider­spruchs­frei­heit der Rechts­ord­nung ver­letzt. 

Nach die­sem Grund­satz gilt: Greift eine steu­er­li­che Len­kungs­re­ge­lung auf eine Sach­ma­te­rie über, darf der Steu­er­ge­setz­ge­ber kei­ne Rege­lun­gen schaf­fen, die den vom zustän­di­gen Sach­ge­setz­ge­ber getrof­fe­nen Rege­lun­gen wider­spre­chen. Der Steu­er­ge­setz­ge­ber darf also nur inso­weit len­kend und damit mit­tel­bar gestal­tend in den Kom­pe­tenz­be­reich eines Sach­ge­setz­ge­bers über­grei­fen, als die Len­kung weder der Gesamt­kon­zep­ti­on der sach­li­chen Rege­lung noch kon­kre­ten Ein­zel­re­ge­lun­gen zuwi­der­läuft. 

Nach Auf­fas­sung des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts ist die Tübin­ger Ver­pa­ckungs­steu­er mit die­ser rechts­staat­li­chen Anfor­de­rung ver­ein­bar: Denn die mit der Ver­pa­ckungs­steu­er ver­folg­ten Len­kungs­zwe­cke, die End­ver­käu­fer zu einem Umstieg auf Mehr­weg­sys­te­me oder zu einer Rück­nah­me der abge­ge­be­nen Ein­weg­ar­ti­kel und deren stoff­li­cher Ver­wer­tung außer­halb der öffent­li­chen Abfall­ent­sor­gung zu ver­an­las­sen, stün­den im Ein­klang mit dem gel­ten­den Abfall­recht des Bundes.

In die­sem Kon­text setzt sich das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt zunächst mit sei­ner frü­he­ren Ent­schei­dung zur Kas­se­ler Ver­pa­ckungs­steu­er­sat­zung aus­ein­an­der, in der es noch zum gegen­tei­li­gen Ergeb­nis gelangt war. In die­ser Ent­schei­dung wur­de ein kon­zep­tio­nel­ler Wider­spruch zwi­schen der kom­mu­na­len Ver­pa­ckungs­steu­er zu dem für das sei­ner­zei­ti­ge Abfall­recht ange­nom­me­nen Koope­ra­ti­ons­prin­zip gese­hen, wonach die abfall­recht­lich fest­ge­leg­ten Zie­le der Ver­mei­dung, Ver­rin­ge­rung und Ver­wer­tung von Abfäl­len nicht ord­nungs­recht­lich oder durch indi­vi­du­el­le Maß­nah­men, son­dern vor­ran­gig durch die Wirt­schaft in eigen­ver­ant­wort­li­chem Zusam­men­wir­ken umge­setzt wer­den soll­ten. Nach dem sei­ner­zeit gel­ten­den § 14 Abs. 2 Abfall­ge­setz 1986 hät­ten die abfall­recht­li­chen Zie­le erst bei einem Schei­tern der koope­ra­ti­ven Bemü­hun­gen ord­nungs­recht­lich durch­ge­setzt wer­den dür­fen. Eine ver­gleich­ba­re Sub­si­dia­ri­täts­klau­sel, die durch indi­vi­du­el­le „Insel­lö­sun­gen“ zur Ein­däm­mung des Ver­pa­ckungs­ab­falls beein­träch­tigt wer­den könn­te, ent­hal­te das aktu­el­le Abfall­recht jedoch nicht mehr; ins­be­son­de­re bezie­he sich die mit § 14 Abs. 2 AbfG 1986 ver­gleich­ba­re Bestim­mung des § 26 KrWG nur auf eine Koope­ra­ti­on bei der Abfall­ver­wer­tung und damit gera­de nicht mehr auf das von der Tübin­ger Ver­pa­ckungs­steu­er vor­ran­gig in den Blick genom­me­ne Ziel der Abfall­ver­mei­dung. Damit kön­ne aus dem Abfall­recht auch kein Koope­ra­ti­ons­prin­zip mehr her­ge­lei­tet wer­den, wie es der dama­li­gen Ent­schei­dung des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts zugrun­de gele­gen habe. Das über­grei­fen­de abfall­recht­li­che Koope­ra­ti­ons­prin­zip sei durch ein ergän­zen­des Neben­ein­an­der von Koope­ra­ti­on, Ord­nungs­recht und wirt­schaft­li­chen Anrei­zen zur Ver­wirk­li­chung der abfall­recht­li­chen Zie­le abge­löst wor­den, zu dem die auf das Ver­hal­ten ein­zel­ner End­ver­käu­fer zie­len­den Len­kungs­wir­kun­gen der Ver­pa­ckungs­steu­er nicht in Wider­spruch tre­ten können.

Ord­nungs­recht­lich wir­ke etwa die Ein­weg­kunst­stoff­ver­bots­ver­ord­nung, die das Inver­kehr­brin­gen von bestimm­ten Ein­weg­kunst­stoff­pro­duk­ten wie Besteck, Tel­ler und Lebens­mit­tel­be­häl­ter ver­bie­te. Vor allem ken­ne das Abfall­recht nun­mehr auch das den Len­kungs­wir­kun­gen der Ver­pa­ckungs­steu­er ver­gleich­ba­re Instru­ment der Set­zung wirt­schaft­li­cher Anrei­ze zur Ver­min­de­rung von Ver­pa­ckungs­ab­fall. Inso­weit ver­weist das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt auf die in Anla­ge 5 des Kreis­lauf­wirt­schafts­ge­set­zes auf­ge­führ­ten Maß­nah­men zur Schaf­fung von Anrei­zen für die Anwen­dung der Abfall­hier­ar­chie, wo unter ande­rem steu­er­li­che Anrei­ze und steu­er­li­che Maß­nah­men genannt wer­den, sowie auf das vom Bund zu erstel­len­de Abfall­ver­mei­dungs­pro­gramm, bei dem als mög­li­che Maß­nah­me „Wirt­schaft­li­che Instru­men­te wie zum Bei­spiel Anrei­ze für einen umwelt­freund­li­chen Ein­kauf oder die Ein­füh­rung eines vom Ver­brau­cher zu zah­len­den Auf­prei­ses für einen Ver­pa­ckungs­ar­ti­kel oder Ver­pa­ckungs­teil, der sonst unent­gelt­lich bereit­ge­stellt wer­den wür­de“ genannt ist. Zudem wür­den in Art. 4 Abs. 1 UAbs. 1der Ein­weg­kunst­stoff­richt­li­ne als Maß­nah­men, die von den Mit­glied­staa­ten ergrif­fen wer­den kön­nen, um den Ver­brauch von Ein­weg­kunst­stoff­ar­ti­keln zu min­dern, auch „wirt­schaft­li­che Instru­men­te wie die Sicher­stel­lung, dass die­se Ein­weg­kunst­stoff­ar­ti­kel an der Ver­kaufs­stel­le nicht kos­ten­los an den End­ver­brau­cher abge­ge­ben wer­den“, aufgeführt.

Ein Wider­spruch zu abfall­recht­li­chen Ein­zel­re­ge­lun­gen lie­ge ange­sichts des­sen, dass sich der mit der Ver­pa­ckungs­steu­er ver­folg­te Zweck der Ver­mei­dung von Abfäl­len mit den Zie­len des Abfall­rechts des Bun­des decke und der steu­er­li­che Anreiz zu einem sol­chen Ver­hal­ten auch kein einer bun­des­recht­li­chen Kon­zep­ti­on zuwi­der­lau­fen­des Mit­tel sei, von vorn­her­ein fern. So kön­ne dem ver­pa­ckungs­recht­li­chen Gebot, in Ein­weg­kunst­stoff­le­bens­mit­tel­ver­pa­ckun­gen und Ein­weg­ge­trän­ke­be­chern ange­bo­te­ne Waren am Ort des Inver­kehr­brin­gens jeweils auch in Mehr­weg­ver­pa­ckun­gen zum Ver­kauf anzu­bie­ten, offen­kun­dig kein Gebot ent­nom­men wer­den, wei­ter­hin Ein­weg­le­bens­mit­tel­ver­pa­ckun­gen zu ver­wen­den, sofern sie nicht aus Kunst­stoff bestehen. Auch die ver­pa­ckungs­recht­li­che Sys­tem­be­tei­li­gungs­pflicht begrün­de für die steu­er­pflich­ti­gen End­ver­käu­fer offen­kun­dig weder ein Ver­bot der Umstel­lung auf ein Mehr­weg­sys­tem noch ein Ver­bot, ver­brauch­te Ein­weg­ar­ti­kel zurück­zu­neh­men und außer­halb der öffent­li­chen Abfall­ent­sor­gung stoff­lich zu ver­wer­ten. Dass die Pflicht von Her­stel­lern bestimm­ter Ein­weg­kunst­stoff­pro­duk­te zur Ent­rich­tung der Ein­weg­kunst­stoff­ab­ga­be als sol­che kein Ver­bot der genann­ten steu­er­li­chen Aus­weich­re­ak­tio­nen umfas­se, lie­ge eben­falls auf der Hand.

Grund­satz der Bündnistreue

Schließ­lich ver­neint das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt einen Ver­stoß gegen den Grund­satz der Bun­destreue in sei­ner Aus­prä­gung als Kom­pe­tenz­aus­übungs­schran­ke. 

Nach die­sem Grund­satz müs­sen Bund und Län­der bei der Wahr­neh­mung ihrer Gesetz­ge­bungs­kom­pe­ten­zen die gebo­te­ne und ihnen zumut­ba­re Rück­sicht auf das Gesamt­in­ter­es­se des Bun­des­staa­tes neh­men. Aller­dings ist der Grund­satz der Bun­destreue nur im Fal­le eines offen­ba­ren Miss­brauchs des Gesetz­ge­bungs­rechts ver­letzt. 

Einen sol­chen Ver­stoß ver­neint das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt nament­lich im Hin­blick auf die bun­des­ge­setz­li­che Rege­lung zur Erhe­bung der Ein­weg­kunst­stoff­ab­ga­be. Die in die­sem Zusam­men­hang auf­ge­wor­fe­ne Fra­ge, ob nicht mit Blick auf die finanz­ver­fas­sungs­recht­li­che Vor­ga­be, dass die staat­li­chen Auf­ga­ben in ers­ter Linie durch Steu­ern zu finan­zie­ren sei­en, umge­kehrt eine sach­ge­setz­lich begrün­de­te nicht­steu­er­li­che Abga­be wie die Ein­weg­kunst­stoff­ab­ga­be den Grund­satz der Bun­destreue ver­let­ze, wenn sie die Aus­übung einer Steu­er­ge­setz­ge­bungs­kom­pe­tenz hin­de­re, lässt das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt aus­drück­lich dahin­ste­hen. 

Jeden­falls ent­zie­he die Ver­pa­ckungs­steu­er dem Ein­weg­kunst­stoff­fonds nicht miss­bräuch­lich die finan­zi­el­le Grund­la­ge. Der Ein­weg­kunst­stoff­fonds und die Ver­pa­ckungs­steu­er knüpf­ten schon nicht an die­sel­be Ertrags­quel­le an, da zur Ent­rich­tung der Ver­pa­ckungs­steu­er die End­ver­käu­fer von Spei­sen und Geträn­ken ver­pflich­tet sei­en, wäh­rend zur Zah­lung der Ein­weg­kunst­stoff­ab­ga­be die Her­stel­ler her­an­ge­zo­gen würden.

Zudem bezie­he sich die Ein­weg­kunst­stoff­ab­ga­be auch auf Pro­duk­te, die – wie etwa Feucht­tü­cher, Luft­bal­lons oder Tabak­pro­duk­te – nicht Gegen­stand der Ver­pa­ckungs­steu­er sei­en. 

Abge­se­hen davon erschwe­re der Zweck der Ver­pa­ckungs­steu­er, die End­ver­käu­fer von Spei­sen und Geträn­ken zur steu­er­ver­mei­den­den Umstel­lung auf Mehr­weg­ar­ti­kel oder durch Rück­nah­me und stoff­li­che Ver­wer­tung der ver­brauch­ten Ein­weg­ar­ti­kel zu bewe­gen, nicht das Ziel des Ein­weg­kunst­stoff­fonds, über die Finan­zie­rung von Maß­nah­men zur Bewäl­ti­gung der nach­tei­li­gen Aus­wir­kun­gen einer Ver­wen­dung von Ein­weg­kunst­stoff­pro­duk­ten zum Schutz der Umwelt bei­zu­tra­gen. Denn soweit sol­che Maß­nah­men von vorn­her­ein nicht not­wen­dig wer­den, weil die End­ver­käu­fer von Spei­sen und Geträn­ken die steu­er­ver­mei­den­den Ver­hal­tens­er­war­tun­gen erfül­len, bestehe kein Bedarf zur Finan­zie­rung nach­träg­li­cher Schutzmaßnahmen.

Ein­ord­nung der Ent­schei­dung und Ausblick

Mit der jetzt ver­öf­fent­lich­ten Ent­schei­dung des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts wur­de das letz­te Wort in einem meh­re­re Jah­re geführ­ten und von der betrof­fe­nen Fach­öf­fent­lich­keit ins­be­son­de­re wegen der mög­li­chen Vor­bild­wir­kung für ande­re Kom­mu­nen mit gro­ßer Auf­merk­sam­keit beob­ach­te­ten Rechts­streit gespro­chen. 

Die bis jetzt fest­zu­stel­len­den Zurück­hal­tung ande­rer Kom­mu­nen, dem Tübin­ger Bei­spiel zu fol­gen, dür­fe nicht zuletzt auf die Rechts­un­si­cher­heit zurück­zu­füh­ren sein, die sich für die Kom­mu­nen aus der frü­he­ren Ent­schei­dung des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts zur Kas­se­ler Ver­pa­ckungs­steu­er aus dem Jahr 1998 ergab. Die­se Unsi­cher­heit ist mit der jetzt ergan­ge­nen Ent­schei­dung aus­ge­räumt – das kla­re Signal des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts ist, dass Bun­des­recht der Ein­füh­rung kom­mu­na­ler Ver­pa­ckungs­steu­ern nicht grund­sätz­lich ent­ge­gen­steht. Dies gilt auch im Hin­blick auf das Ein­weg­kunst­stoff­fonds­ge­setz, das im Zeit­punkt der vor­an­ge­gan­ge­nen Ent­schei­dung des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts noch nicht in Kraft getre­ten war und von die­sem somit noch nicht berück­sich­tigt wur­de. 

Ange­sichts der Klar­heit der jetzt vor­lie­gen­den Ent­schei­dung sowie des Umstands, dass auch Len­kungs­steu­ern der Ein­nah­me­er­zie­lung die­nen und die kom­mu­na­len Kas­sen viel­fach weit­ge­hend leer sind, wür­de es nicht über­ra­schen, wenn künf­tig ähn­li­che Rege­lun­gen auch in ande­ren Kom­mu­nen ein­ge­führt wür­den. 

Einen völ­li­gen Frei­fahrt­schein bie­tet aller­dings auch die jetzt vor­lie­gen­de Ent­schei­dung des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts nicht. So bleibt ins­be­son­de­re das Merk­mal der Ört­lich­keit nach Art. 105 Abs. 2a GG stets im Ein­zel­fall zu prü­fen, wobei auch Gege­ben­hei­ten wie die Ver­sor­gungs­struk­tur oder die Grö­ße der Gemein­de eine Rol­le spie­len. Gro­ßen Städ­ten dürf­te die Ein­füh­rung einer Ver­pa­ckungs­steu­er danach leich­ter fal­len als klei­nen Gemeinden.

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