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VER­GA­BE

Die Zei­ten wer­den rau­er und die Töne schär­fer – Ver­trags­stra­fen und Kün­di­gungs­an­dro­hun­gen als neu­er Stan­dard der öffent­li­chen Auftraggeber?

By 23. Febru­ary 2024No Comm­ents

Man­dan­ten­in­for­ma­ti­on 04/2024

Die Ver­ga­be­pra­xis zeigt, dass öffent­li­che Auf­trag­ge­ber gera­de im Bereich der Abfall­ent­sor­gung ver­mehrt Ver­trags­stra­fen und Kün­di­gungs­rech­te bei Ver­let­zung der Leis­tungs­pflich­ten in den Ver­trags­be­din­gun­gen vor­schrei­ben. Die Ver­trags­stra­fen blei­ben wäh­rend der Leis­tungs­er­brin­gung auch nicht nur Theo­rie, son­dern wer­den vom öffent­li­chen Auf­trag­ge­ber auf­grund von Schlecht­leis­tung immer häu­fi­ger – bis zur recht­lich zuläs­si­gen Höchst­gren­ze – gel­tend gemacht. Ein Grund hier­für ist oft­mals eine qua­li­ta­tiv schlech­te­re Leis­tung des Auf­trag­neh­mers, weil die­sem vor allem qua­li­fi­zier­tes Per­so­nal fehlt. Vor die­sem Hin­ter­grund stellt sich die Fra­ge, unter wel­chen Bedin­gun­gen Ver­trags­stra­fen ver­ga­be­recht­lich zuläs­sig sind und wel­che Aus­wir­kun­gen ver­wirk­te Ver­trags­stra­fen sowie außer­or­dent­li­che Kün­di­gun­gen auf die Betei­li­gung eines Unter­neh­mens bei einer Aus­schrei­bung haben.

Mög­lich­kei­ten der Ein­fluss­nah­me auf Ver­trags­be­din­gun­gen 

Aus­schrei­bun­gen im Ent­sor­gungs­be­reich wer­den in der Regel im offe­nen Ver­fah­ren ver­ge­ben. Im offe­nen Ver­fah­ren gibt der öffent­li­che Auf­trag­ge­ber den Ver­trag und somit auch Ver­trags­stra­fen sowie außer­or­dent­li­che Kün­di­gungs­rech­te ein­sei­tig vor. Dem bie­ten­den Unter­neh­men ist es im offe­nen Ver­fah­ren ver­sagt, über die­se ver­trag­li­chen Vor­ga­ben mit dem öffent­li­chen Auf­trag­ge­ber zu ver­han­deln. Ändert der Bie­ter Ver­trags­stra­fen und Kün­di­gungs­rech­te aus den Ver­ga­be­un­ter­la­gen mit sei­nem Ange­bot ab, ist er nach den ver­ga­be­recht­li­chen Vor­ga­ben zwin­gend vom Ver­fah­ren auszuschließen.

Bewer­bern steht es offen, durch Fra­gen eine Ände­rung des Ver­tra­ges anzu­re­gen. Ob und wie der öffent­li­che Auf­trag­ge­ber Ver­trags­stra­fen und Kün­di­gungs­re­che ändert, steht jedoch in sei­nem frei­en Belie­ben. Ledig­lich sofern dem Bie­ter durch eine Ver­trags­stra­fe oder ein Kün­di­gungs­recht eine unzu­mut­ba­re Bedin­gung auf­ge­bür­det wird, liegt ein Ver­ga­be­rechts­ver­stoß vor, der den öffent­li­chen Auf­trag­ge­ber zur Ände­rung des Ver­tra­ges ver­pflich­tet. Unzu­mut­bar ist eine Bedin­gung, wenn für den Bie­ter eine kauf­män­nisch ver­nünf­ti­ge Ange­bots­kal­ku­la­ti­on nicht mög­lich ist und somit vom Bie­ter das Risi­ko nicht durch ein soge­nann­tes Risi­koent­gelt kal­ku­liert wer­den kann. Die Gren­ze der Unzu­mut­bar­keit wird aller­dings nur in weni­gen Aus­nah­me­fäl­len erreicht. Kün­di­gungs­rech­te wur­den von der ver­ga­be­recht­li­chen Spruch­pra­xis bei­spiels­wei­se dann als unzu­mut­bar ange­se­hen, wenn die­se auf Umstän­den beru­hen, die allein in der Sphä­re des Auf­trag­ge­bers lie­gen (z. B. Kün­di­gung bei Ände­rung der Abfallsatzung).

Kei­nen Ver­ga­be­rechts­ver­stoß stellt es dar, wenn die Ver­trags­klau­sel AGB-rechts­wid­rig ist. Ver­trags­klau­seln in Ver­ga­be­un­ter­la­gen wer­den von ver­ga­be­recht­li­chen Nach­prü­fungs­in­stan­zen nicht auf ihre zivil­recht­li­che Wirk­sam­keit geprüft, da sie kei­ne Bestim­mun­gen über das Ver­ga­be­ver­fah­ren nach § 97 Abs. 6 GWB sind (OLG Düs­sel­dorf, Beschluss vom 22.12.2021, Verg 16/21). Dem­ge­mäß wur­de jüngst durch das Baye­ri­sche Obers­te Lan­des­ge­richt bestä­tigt, dass eine eigen­stän­di­ge AGB-recht­li­che Inhalts­kon­trol­le von Ver­trags­klau­seln nach dem Maß­stab des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB im Ver­ga­benach­prü­fungs­ver­fah­ren nicht statt­fin­det (Beschluss vom 6.12.2023, Verg 7/23).

Ver­trags­stra­fen und Kün­di­gungs­rech­te kön­nen dem­nach im Ver­ga­be­ver­fah­ren nur im Aus­nah­me­fall erfolg­reich als Ver­ga­be­rechts­ver­stoß gerügt wer­den. Zu hin­ter­fra­gen ist aber, ob eine Kal­ku­la­ti­on des Ange­bo­tes unter Berück­sich­ti­gung eines Risi­koent­gel­tes noch mög­lich ist. 

Gleich­wohl muss der öffent­li­che Auf­trag­ge­ber beden­ken, dass wenn er wäh­rend der Leis­tungs­er­brin­gung Ver­trags­stra­fen gel­tend macht oder den Ver­trag außer­or­dent­lich kün­digt, die­se Vor­ga­ben sodann auf ihre zivil­recht­li­che Wirk­sam­keit über­prüft wer­den kön­nen. Ein Unter­neh­men kann sich auf die Unwirk­sam­keit einer Ver­trags­stra­fe wäh­rend der Leis­tungs­er­brin­gung selbst auch dann beru­fen, wenn es die Ver­trags­stra­fe wäh­rend des Ver­ga­be­ver­fah­rens nicht gerügt hat. Des­halb kann es aus tak­ti­schen Grün­den Sinn machen, den öffent­li­chen Auf­trag­ge­ber bereits wäh­rend des Ver­ga­be­ver­fah­rens durch Rüge auch auf zivil­recht­li­che Beden­ken gegen Ver­trags­stra­fen und Kün­di­gungs­rech­te auf­merk­sam zu machen. Unzu­mut­bar kön­nen hier­bei Ver­trags­stra­fen vor allem wegen der vor­ge­ge­be­nen Ver­trags­stra­fen­hö­he und einer feh­len­den Ober­gren­ze aller Ver­trags­stra­fen i. H. v. 5 % der jähr­li­chen Net­to­auf­trags­sum­me sein.

Kon­se­quen­zen bei zukünf­ti­gen Ver­ga­ben  

Ver­wirk­te Ver­trags­stra­fen, Ersatz­vor­nah­men, Abmah­nun­gen und (außer­or­dent­li­che) Kün­di­gun­gen kön­nen nicht nur auf den lau­fen­den Ver­trag Aus­wir­kun­gen haben, son­dern auch für die Betei­li­gung des Unter­neh­mens bei zukünf­ti­gen Aus­schrei­bun­gen (ande­rer) öffent­li­cher Auf­trag­ge­ber von Bedeu­tung sein. Nach § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB kön­nen öffent­li­che Auf­trag­ge­ber unter Berück­sich­ti­gung des Grund­sat­zes der Ver­hält­nis­mä­ßig­keit ein Unter­neh­men zu jedem Zeit­punkt des Ver­ga­be­ver­fah­rens von der Teil­nah­me an einem Ver­ga­be­ver­fah­ren aus­schlie­ßen, wenn das Unter­neh­men eine wesent­li­che Anfor­de­rung bei der Aus­füh­rung eines frü­he­ren öffent­li­chen Auf­trags erheb­lich oder fort­dau­ernd man­gel­haft erfüllt hat und dies zu einer vor­zei­ti­gen Been­di­gung, zu Scha­dens­er­satz oder zu einer ver­gleich­ba­ren Rechts­fol­ge geführt hat. 

Die Ver­wir­kung einer Ver­trags­stra­fe dürf­te die­sen Tat­be­stand nicht erfül­len, weil es an einem gleich­zei­ti­gen Ein­tritt eines Scha­dens oder einer vor­zei­ti­gen Ver­trags­be­en­di­gung fehlt. Kommt es wegen einer Schlecht­leis­tung nach Abmah­nung zu einer (außer­or­dent­li­chen) Been­di­gung des Ver­tra­ges, ist grund­sätz­lich der Tat­be­stand des § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB erfüllt. In die­sem Fall muss der öffent­li­che Auf­trag­ge­ber prü­fen, ob das Unter­neh­men auf­grund die­ser Schlecht­leis­tung für den aus­ge­schrie­be­nen Auf­trag unge­eig­net und somit vom Ver­fah­ren aus­zu­schlie­ßen ist. Eben­so kann bereits eine Ersatz­vor­nah­me eine Schlecht­leis­tung dar­stel­len, wenn die­se erheb­lich oder fort­dau­ernd ist und somit nicht nur ledig­lich Ein­zel­fäl­le betrifft. 

Liegt ein Aus­schluss­grund wegen Schlecht­leis­tung bei einem öffent­li­chen Auf­trag vor, kann das Unter­neh­men sich immer noch selbst rei­ni­gen, indem es per­so­nel­le und Com­pli­ance-Maß­nah­men ergreift, den Scha­den wie­der­gut­macht und zur Sach­ver­halts­er­mitt­lung bei­trägt. Nach erfolg­rei­cher Selbst­rei­ni­gung darf ein Unter­neh­men trotz Schlecht­leis­tung in der Ver­gan­gen­heit nicht mehr vom Ver­fah­ren aus­ge­schlos­sen werden.

Ange­sichts der weit­rei­chen­den Fol­gen auch für zukünf­ti­ge Ver­ga­be­ver­fah­ren soll­ten Ersatz­vor­nah­men und erst recht die Andro­hung und der Aus­spruch einer (außer­or­dent­li­chen) Kün­di­gun­gen als ulti­ma ratio erst dann erfol­gen, wenn das Ver­trau­ens­ver­hält­nis nach­hal­tig und grund­le­gend zer­stört ist. Zudem soll der zwi­schen den Par­tei­en abge­schlos­se­ne Ver­trag dazu bei­tra­gen, dass die Ver­trags­par­tei­en sich ver­tra­gen. Bei in öffent­li­chen Aus­schrei­bun­gen abge­schlos­se­nen Ver­trä­gen besteht in der Regel die Beson­der­heit, dass der Ver­trags­in­halt nicht ver­han­delt wird, son­dern vom Auf­trag­ge­ber vor­ge­ge­ben wird. Dies kann dazu füh­ren, dass Rege­lun­gen im Ver­trag ein­sei­tig zu Las­ten des Auf­trag­neh­mers gehen. Auch wenn die­se Rege­lun­gen von einem Unter­neh­men vor Ver­trags­schuss nicht abge­än­dert wer­den kön­nen, soll­ten öffent­li­che Auf­trag­ge­ber beden­ken, dass für Bie­ter nach­teil­haf­te ver­trag­li­che Rege­lun­gen zu einer Ver­teue­rung des Ange­bo­tes füh­ren kön­nen. 

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