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VER­GA­BE

Kön­nen sich Infor­ma­ti­ons­an­sprü­che unmit­tel­bar aus der EU-Richt­li­nie 2019/1024 ergeben?

By 20. Janu­ary 2025No Comm­ents

Man­dan­ten­in­for­ma­ti­on 02/2025

Infor­ma­ti­ons­an­sprü­chen kommt im Ver­ga­be­recht eine weit­rei­chen­de Bedeu­tung zu. Durch sie kann in Erfah­rung gebracht wer­den, ob öffent­li­che Auf­trä­ge aus­schrei­bungs­pflich­tig sind und wann Dienst­leis­tungs­auf­trä­ge nach Ver­trags­en­de wie­der am Markt ver­ge­ben wer­den. Der EuGH hat­te in sei­nem Urteil vom 21.11.2024 (C‑336/23) über die Fra­ge zu ent­schei­den, ob – neben Infor­ma­ti­ons­an­sprü­chen aus natio­na­lem Recht – ein Infor­ma­ti­ons­an­spruch unmit­tel­bar aus der Richt­li­nie 2019/1024 besteht.

Das natio­na­le Recht gibt Antrag­stel­lern weit­rei­chen­de Ansprü­che auf Zugang zu den bei den öffent­li­chen Stel­len vor­han­de­nen Infor­ma­tio­nen. In der Regel muss der Antrag­stel­ler hier­zu kein berech­tig­tes Inter­es­se gel­tend machen. Aus­ge­schlos­sen sind unter ande­rem Ansprü­che auf Zugang zu Infor­ma­tio­nen, die ein Betriebs- oder Geschäfts­ge­heim­nis beinhal­ten. 

Der EuGH hat­te nun über die Fra­ge zu ent­schei­den, ob sich – zusätz­lich zu den Ansprü­chen aus natio­na­lem Recht – aus der EU-Richt­li­nie über offe­ne Daten und die Wei­ter­ver­wen­dung von Infor­ma­tio­nen des öffent­li­chen Sek­tors (Richt­li­nie 2019/1024) ein Anspruch auf Zugang zu Doku­men­ten ergibt, die im Besitz einer öffent­li­chen Stel­le sind. Sofern ein sol­cher Anspruch bestan­den hät­te, hät­ten die Rege­lun­gen der Richt­li­nie gege­be­nen­falls einen gerin­ge­ren Schutz von Betriebs- und Geschäfts­ge­heim­nis­sen geboten.

Der EuGH ent­schied jedoch, dass sich ein eigen­stän­di­ger Anspruch auf Zugang zu Doku­men­ten nicht aus dem Rege­lungs­ge­halt der Richt­li­nie 2019/1024 ergibt. Die Richt­li­nie rege­le aus­schließ­lich die Wei­ter­ver­wen­dung vor­han­de­ner Doku­men­te. „Wei­ter­ver­wen­dung“ im Sin­ne der Richt­li­nie mei­ne die Nut­zung von Doku­men­ten für einen ande­ren als den ursprüng­li­chen Zweck, für den die Doku­men­te erstellt wur­den. Der Begriff der Wei­ter­ver­wen­dung set­ze damit zwar denk­lo­gisch den vor­he­ri­gen Zugang zu den Doku­men­ten vor­aus. Zugang und Wei­ter­ver­wen­dung sei­en aber zwei offen­sicht­lich unter­schied­li­che Vor­gän­ge, sodass die Richt­li­nie kon­se­quen­ter­wei­se auch kei­ne Infor­ma­ti­ons­zu­gangs­re­ge­lun­gen zum Gegen­stand haben kön­ne, gleich­wohl aber sol­che Rege­lun­gen im Recht der Mit­glieds­staa­ten oder der EU vor­aus­set­ze. Im Übri­gen lässt die Richt­li­nie nach Auf­fas­sung des EuGH die Zugangs­re­ge­lun­gen der Uni­on und der Mit­glied­staa­ten aber aus­drück­lich unbe­rührt. 

Damit erge­ben sich Ansprü­che auf Infor­ma­ti­ons­zu­gang nach wie vor aus­schließ­lich aus natio­na­lem Recht. Ein wei­ter­ge­hen­der Infor­ma­ti­ons­an­spruch aus der Richt­li­nie 2019/1024 besteht nicht. 

In Deutsch­land kön­nen sich Infor­ma­ti­ons­an­sprü­che aus bestehen­den Lan­des- oder Bun­des­re­ge­lun­gen zu Infor­ma­ti­ons­frei­heits­ge­set­zen, aus Treu und Glau­ben gemäß § 242 BGB, wäh­rend eines Ver­wal­tungs­ver­fah­rens aus § 28 VwVfG oder wäh­rend eines ver­ga­be­recht­li­chen Nach­prü­fungs­ver­fah­rens aus einem Akten­ein­sichts­recht nach § 165 GWB erge­ben. Ein­ge­schränkt wer­den die­se Ansprü­che alle­samt durch den Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen.

Das Ange­bot eines Mit­bie­ters und Wett­be­wer­bers stellt hier­bei in der Regel ein Betriebs- und Geschäfts­ge­heim­nis dar, in das kei­ne Ein­sicht gewährt wird. Kein Betriebs- und Geschäfts­ge­heim­nis stel­len jedoch Anga­ben zum jähr­li­chen Auf­trags­wert dar und mit­hin zu der Fra­ge, ob ein sol­cher Auf­trag auf­grund Über­schrei­tung von bestimm­ten Schwel­len­wer­ten aus­schrei­bungs­pflich­tig ist. Eben­so stellt es kein Betriebs- und Geschäfts­ge­heim­nis dar, wann Ver­trä­ge ein­schließ­lich etwa­iger Optio­nen enden und somit wie­der am Markt ver­ge­ben wer­den. Wei­ter­hin hat ein Bie­ter Anspruch auf Ein­sicht in eine Kos­ten­schät­zung und eine Ver­ga­be­ak­te, um einen Scha­dens­er­satz­an­spruch begrün­den zu kön­nen. Dies gilt jedoch nur dann, wenn der begrün­de­te Ver­dacht einer Pflicht­ver­let­zung bei Durch­füh­rung eines Ver­ga­be­ver­fah­rens besteht.

Die Ent­schei­dung des EuGH ist nach­voll­zieh­bar und ver­deut­licht, dass die Richt­li­nie 2019/1024 kei­ne eigen­stän­di­gen Ansprü­che auf Infor­ma­ti­ons­zu­gang begrün­det, son­dern sich aus­schließ­lich auf die Wei­ter­ver­wen­dung bereits zugäng­li­cher Infor­ma­tio­nen beschränkt. Der Zugang zu Doku­men­ten bei öffent­li­chen Stel­len bleibt damit den bestehen­den natio­na­len Rege­lun­gen vor­be­hal­ten, die bereits umfas­sen­de Zugangs­mög­lich­kei­ten bie­ten. Gleich­zei­tig bleibt der Schutz von Betriebs- und Geschäfts­ge­heim­nis­sen in vol­lem Umfang gewahrt.

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