Mandanteninformation 07/2023
Muss ein Bieter, der die ausgeschriebene Leistung als Eigenleistung anbietet, die in den Referenzen genannten Leistungen auch selbst erbracht haben? Diese Frage hatte das Oberlandesgericht Düsseldorf in einem bislang nicht veröffentlichen Beschluss zu beantworten (Beschluss vom 14.12.2022 – VII-Verg 11/22).
Sachverhalt
Der Auftraggeber hatte europaweit im offenen Verfahren einen Vertrag über die Sammlung und Verwertung von Alttextilien aus kommunaler Sammlung ausgeschrieben.
Der Bieter musste zum Nachweis seiner Eignung u.a. über Referenzen über die Erbringung von vergleichbaren Leistungen verfügen. Als vergleichbar definiert waren Leistungen, bei denen der Bieter zumindest eine Jahresmenge Alttextilien in Höhe von 500 Tonnen pro Jahr übernommen, sortiert und verwertet hat.
Nachdem der Auftraggeber erklärte, der späteren Beigeladenen den Zuschlag erteilen zu wollen, rügte die Antragstellerin, dass die Zuschlagsprätendentin gar keine Sortierleistungen durchführen könne. Die von ihr referenzierten Leistungen habe sie gar nicht erbracht, sodass die vorgelegten Referenzen nicht den Anforderungen entsprächen.
Nach erfolgloser Rüge wies die Vergabekammer Rheinland den Nachprüfungsantrag vollumfänglich zurück. Daraufhin legte die Antragstellerin beim OLG Düsseldorf sofortige Beschwerde ein.
Entscheidung
Das OLG Düsseldorf hob den Beschluss der Vergabekammer Rheinland auf und erklärt die sofortige Beschwerde im Hinblick auf die Eignungsprüfung für begründet.
Nach den (ordnungsgemäß) aufgestellten Anforderungen an die Leistungsfähigkeit müssen die Bieter bei Angebotsabgabe Referenzen über die Erbringung von vergleichbaren Leistungen vorlegen. Aus der maßgeblichen Sicht eines durchschnittlichen und verständigen Bieters, der mit derartigen Ausschreibungen vertraut ist, war klar, dass er die referenzierten Teilleistungen alle selbst erbracht haben muss, wenn er die ausgeschriebene Leistung – so wie hier – in Eigenleistung anbietet.
Dies begründet das Gericht mit dem Sinn und Zweck von Referenzen nach § 46 Abs. 3 Nr. 1 VgV. Diese sollen als Beleg für die technische und berufliche Leistungsfähigkeit des Bieters dienen, anhand dessen der Auftraggeber feststellen will, ob der potentielle Auftragnehmer Erfahrungen auf dem Gebiet der nachgefragten Leistung hat und ob er in der Lage sein wird, den Auftrag auch tatsächlich durchzuführen. Dafür muss die referenzierte der ausgeschriebenen Leistung so weit ähneln, dass sie einen tragfähigen Rückschluss auf die Leistungsfähigkeit des Bieters für die ausgeschriebene Leistung ermöglicht. Um diesen Zweck erfüllen zu können, muss die durch die Referenzen attestierte Leistungsfähigkeit grundsätzlich in der Person des sich unmittelbar am Verfahren beteiligenden Wirtschaftsteilnehmers vorliegen; Referenzen sind also personen-/unternehmensgebunden.
Demgegenüber taugen Referenzen, die auf die Tätigkeit anderer Unternehmen zurückgreifen, nicht zum Eignungsnachweis des Bieters, weil damit gerade nicht dokumentiert worden ist, dass sich der konkrete Bieter auch wirklich hinsichtlich der nachgefragten Leistung am Markt bereits bewährt hat. Mit anderen Worten müssen die Referenzen die geforderte Leistung so spiegeln, wie sie der Bieter anbietet: Wird die Leistung vollständig als eigene angeboten, ohne dass der Bieter sich bezüglich bestimmter Leistungsteile auf einen Nachunternehmer beruft, dann muss er im Rahmen der Referenzen auch alle wesentlichen Leistungsteile in eigener Person erbracht haben.
Im vorliegenden Fall gehörte damit dazu nicht nur die Übernahme und Verwertung, sondern auch das Sortieren von Alttextilien. Referenzaufträge, bei denen Nachunternehmer die Sortierung von Alttextilien ausgeführt haben, bieten mithin nicht die Gewähr, dass die Beigeladene Sortierleistungen auch selbst ordnungsgemäß erbringen kann.
Somit ist die materielle Eignungsprüfung vergaberechtswidrig erfolgt. Die Antragsgegnerin hat die Leistungsfähigkeit der Beigeladenen bejaht, obwohl sie keine Kenntnis davon hat, ob die in den Referenzen genannten Sortierleistungen vom Bieter eigenständig erbracht wurden oder nicht. Damit hat die Antragsgegnerin den ihr zustehenden Beurteilungsspielraum überschritten und insoweit die materielle Eignungsprüfung zu wiederholen.
Fazit
Das OLG Düsseldorf hat deutlich gemacht, dass es darauf ankommt, ob die referenzierte Leistung durch den Bieter selbst oder durch einen Nachunternehmer erfolgt ist. Auf das bloße Vertragsverhältnis des Bieters als Referenzauftragnehmer mit etwaigen Nachunternehmern soll es nicht ankommen, sondern auf die tatsächliche operative Leistungserbringung. Das erscheint vor dem Sinn und Zweck der Referenzen zunächst naheliegend. Diese strenge Sichtweise birgt aber auch praktische Schwierigkeiten, da es bisher nicht üblich war, im Rahmen der Abfrage einer Referenzliste nach § 46 Abs. 3 Nr. 1 VgV auch den Umfang der sogenannten Eigenleistung zu erfragen. Insofern regelt die vorstehende Norm allein die Angabe des Auftragswertes, des Liefer- bzw. Erbringungszeitpunktes sowie die Benennung des Leistungsempfängers.
Für öffentliche Auftraggeber bedeutet diese Entscheidung nunmehr, dass sie im Rahmen der Eignungsprüfung verstärkt darauf zu achten und zur Klarheit bereits in den Vergabeunterlagen die Informationen abzufragen haben, ob die Referenzen dem entsprechen, was der jeweilige Bieter auch angeboten hat. Bieter sind gehalten ihr Augenmerk auf die Leistungen bzw. deren Kernelemente zu richten, die der Referenz zugrunde gelegt werden sollen und darauf, ob sie mit der angebotenen Leistung übereinstimmen. Es genügt dabei gerade nicht, wenn der Bieter zwar Auftragnehmer des Referenzauftrages ist, aber Kernelemente der Auftragsleistung an einen Nachunternehmer vergeben hat. Insoweit besteht jedoch die Möglichkeit, sich im Rahmen der Eignungsleihe auf die technische und berufliche Leistungsfähigkeit und somit die Referenzen des Nachunternehmers zu berufen.
Nicht geäußert hat sich der Vergabesenat zu der Fallgestaltung, in welcher der Bieter zwar einen Nachunternehmer im Referenzauftrag eingeschaltet hat, er aber sozusagen spiegelbildlich nunmehr ebenfalls gedenkt, den Auftrag unter Einsatz eines Nachunternehmers erbringen zu lassen. Im Zweifel wäre auch in diesem Zusammenhang vorsorglich eine Eignungsleihe in Betracht zu ziehen. Wird allerdings von dem Auftraggeber im Rahmen der Eignungsleihe gefordert, dass das eignungsverleihende Unternehmen die Leistung auch selbst erbringen muss, wird in der Regel aufgrund des § 47 Abs. 1 S. 3 VgV eine sogenannte Know-How-Leihe nicht als ausreichend angesehen, sondern das eignungsverleihende Unternehmen muss die Leistung dann selbst operativ erbringen.
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