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ESG

Euro­päi­sche Uni­on ver­schärft Umweltstrafrecht

By 2. Sep­tem­ber 2024#!30Tue, 03 Sep 2024 07:26:51 +0000+00:005130#30Tue, 03 Sep 2024 07:26:51 +0000+00:00 – 7+00:003030+00:00x30 03am30am-30Tue, 03 Sep 2024 07:26:51 +0000+00:007+00:003030+00:00x302024Tue, 03 Sep 2024 07:26:51 +0000267269amTuesday=112#!30Tue, 03 Sep 2024 07:26:51 +0000+00:00+00:009#September 3rd, 2024#!30Tue, 03 Sep 2024 07:26:51 +0000+00:005130#/30Tue, 03 Sep 2024 07:26:51 +0000+00:00 – 7+00:003030+00:00x30#!30Tue, 03 Sep 2024 07:26:51 +0000+00:00+00:009#No Comm­ents

Man­dan­ten­in­for­ma­ti­on 12/2024

Die EU hat im Zuge ihres Green Deal die Richt­li­nie über den straf­recht­li­chen Schutz der Umwelt aus dem Jah­re 2008 novel­liert und deut­lich ver­schärft. In der neu­en Richt­li­nie 2024/1203 wird der Kata­log der Umwelt­straf­tat­be­stän­de von bis­lang neun auf zwan­zig erwei­tert. Fest­ge­legt wer­den zudem Min­dest­höchst­ma­ße für zu ver­hän­gen­de Frei­heits- und Geld­stra­fen sowie Buß­gel­der. Dar­über hin­aus wer­den zahl­rei­che wei­te­re Sank­tio­nen ein­ge­führt. Die neue EU-Richt­li­nie ist bis zum 21. Mai 2026 in natio­na­les Recht umzu­set­zen. Bereits heu­te ist abseh­bar, dass die Novel­le zu einer erheb­li­chen Ver­schär­fung des natio­na­len Umwelt­straf­rechts füh­ren wird.

Aus­lö­ser der Novel­le ist eine von der EU-Kom­mis­si­on in den Jah­ren 2019 und 2020 durch­ge­führ­te Eva­lua­ti­on der gel­ten­den EU-Umwelt­straf­rechts­richt­li­nie 2008/99, deren Ergeb­nis im Okto­ber 2020 ver­öf­fent­licht wur­de. Dar­in gelangt die Kom­mis­si­on zu dem Schluss, dass die Richt­li­nie 2008/99 in der Pra­xis kei­ne gro­ße Wir­kung gezeigt hat. Ins­be­son­de­re sei die Zahl der Fäl­le von Umwelt­kri­mi­na­li­tät, die erfolg­reich unter­sucht und geahn­det wur­den, gering geblie­ben, wäh­rend ins­ge­samt ein Anstieg grenz­über­schrei­ten­der Umwelt­kri­mi­na­li­tät zu ver­zeich­nen gewe­sen sei. In allen EU-Mit­glied­staa­ten und auf allen Ebe­nen der Durch­set­zungs­ket­te bestün­den, so die Kom­mis­si­on, teils erheb­li­che Voll­zugs­de­fi­zi­te. Zudem sei­en die in den Mit­glied­staa­ten ver­häng­ten Sank­tio­nen zu nied­rig, um eine abschre­cken­de Wir­kung zu ent­fal­ten. 

Die Novel­le der Richt­li­nie über den straf­recht­li­chen Schutz der Umwelt soll die von der Kom­mis­si­on fest­ge­stell­ten „Defi­zi­te“ behe­ben. Das Umwelt­straf­recht soll durch die Novel­le prä­zi­ser, wirk­sa­mer und abschre­cken­der gestal­tet wer­den; dadurch soll die Beach­tung der EU-Umwelt­rechts ver­bes­sert und die (grenz­über­schrei­ten­de) Umwelt­kri­mi­na­li­tät bereits an ihrem Ursprung effek­tiv bekämpft wer­den. 

Mit Hil­fe der neu­en Richt­li­nie sol­len die­se Miss­stän­de wie folgt bekämpft wer­den: 

Neue Umwelt­straf­tat­be­stän­de

Den Kern der neu­en Richt­li­nie bil­den – neben der Ver­schär­fung bereits bestehen­der Umwelt­straf­tat­be­stän­de – elf gänz­lich neue Straf­tat­be­stän­de, die teil­wei­se der straf­recht­li­chen Sank­tio­nie­rung umwelt­recht­li­cher Vor­ga­ben die­nen, die in den letz­ten Jah­ren neu geschaf­fen wur­den. 

Zukünf­tig wird beispielsweise

  • das Inver­kehr­brin­gen, die Bereit­stel­lung oder die Aus­fuhr von nicht ent­wal­dungs­frei­en Roh­stof­fen und Erzeug­nis­sen im Sin­ne der EU-Ent­wal­dungs­ver­ord­nung, 
  • unter bestimm­ten Vor­aus­set­zun­gen das Her­stel­len sowie das Inver­kehr­brin­gen poten­zi­ell umwelt­schä­di­gen­der Erzeug­nis­se, 
  • der (schwer­wie­gen­de) Ver­stoß gegen das EU-Che­mi­ka­li­en­recht, 
  • die Durch­füh­rung UVP-pflich­ti­ger Vor­ha­ben ohne die erfor­der­li­che Geneh­mi­gung, 
  • das ille­ga­le Recy­cling von Schif­fen, 
  • die ille­ga­le Her­stel­lung, Ein­fuhr, Ver­wen­dung, Lage­rung und Aus­fuhr von Quecksilber,
  • die ille­ga­le Ent­nah­me von Ober­flä­chen- und Grundwasser,
  • die Tötung, die Zer­stö­rung, die Ent­nah­me, der Besitz, der Ver­kauf oder das Anbie­ten zum Ver­kauf von einem oder meh­re­ren Exem­pla­ren bestimm­ter wild­le­ben­der Tier- oder Pflanzenarten,
  • die Her­stel­lung, das Inver­kehr­brin­gen, die Ein­fuhr, die Aus­fuhr, die Ver­wen­dung oder die Frei­set­zung bestimm­ter ozon­ab­bau­en­der Stof­fe und Gemi­sche 

unter Stra­fe gestellt, soweit dies jeweils vor­sätz­lich oder grob fahr­läs­sig geschieht. 

Die Rege­lungs­tech­nik der ein­zel­nen Straf­tat­be­stän­de ist wegen ihrer Viel­zahl an Ver­wei­sun­gen auf die Rege­lun­gen des euro­päi­schen Umwelt­ver­wal­tungs­rechts sowie die Ver­wen­dung unbe­stimm­ter Rechts­be­grif­fe äußerst kom­plex und dürf­te für den umwelt­recht­lich nicht ver­sier­ten Bür­ger kaum noch ver­ständ­lich sein. Pro­ble­me bei der Rechts­an­wen­dung sind absehbar.

Nicht bewahr­hei­tet hat sich die noch im Recht­set­zungs­ver­fah­ren sowohl vom Bun­des­rat als auch vom Straf­rechts­aus­schuss des Deut­schen Anwalt­ver­eins vor­ge­brach­te Befürch­tung, durch die Straf­tat­be­stän­de, die ins­be­son­de­re das Inver­kehr­brin­gen umwelt­schä­di­gen­der Erzeug­nis­se betref­fen, wer­de ein Pro­dukt- bzw. Ver­brau­cher­schutz­straf­recht „durch die Hin­ter­tür“ einer umwelt­straf­recht­li­chen Richt­li­nie ein­ge­führt. In der Ent­wurfs­fas­sung der EU-Kom­mis­si­on war inso­weit eine Straf­bar­keit bereits dann vor­ge­se­hen, wenn ein Erzeug­nis zumin­dest grob fahr­läs­sig in den Ver­kehr gebracht wird, des­sen Ver­wen­dung unter Ver­stoß gegen ein Ver­bot oder eine ande­re Anfor­de­rung erheb­li­che Schä­den an Men­schen ver­ur­sacht oder ver­ur­sa­chen kann. Auf die Ver­mitt­lung die­ses Gefähr­dungs­po­ten­zi­als durch eine Ver­schmut­zung von Luft, Was­ser oder Boden soll­te es inso­weit nicht ankom­men. In der nun­mehr ver­ab­schie­de­ten Richt­li­ni­en­fas­sung ist fin­det sich ein sol­cher Straf­tat­be­stand nicht mehr. Das (rechts­wid­ri­ge) Inver­kehr­brin­gen eines Erzeug­nis­ses ist danach nur noch dann unter Stra­fe zu stel­len, wenn des­sen Ver­wen­dung zu einer Umwelt­ver­schmut­zung führt und es auf­grund die­ser Umwelt­ver­schmut­zung zu einer Gefahr für Leib und Leben kommt oder kom­men kann.

Erwei­ter­te und ver­schärf­te Sanktionsandrohungen

Für die Sank­tio­nie­rung natür­li­cher Per­so­nen for­mu­liert die Richt­li­nie Min­dest­vor­ga­ben für (Freiheits-)Höchststrafen von drei, fünf, acht und zehn Jah­ren, die von den Mit­glied­staa­ten zwin­gend in natio­na­les Recht umzu­set­zen sind. 

Bemer­kens­wert ist, dass die Richt­li­nie neben der Ver­hän­gung der „eigent­li­chen“ Frei­heits- oder Geld­stra­fe die Mög­lich­keit der Ergrei­fung zusätz­li­cher Sank­tio­nen und Maß­nah­men gegen natür­li­che Per­so­nen vor­sieht. So kann der Täter ver­pflich­tet wer­den, den vor­he­ri­gen Zustand der Umwelt inner­halb einer bestimm­ten Frist wie­der­her­zu­stel­len oder, falls ihm dies nicht mög­lich ist bzw. bei irrever­si­blen Umwelt­schä­den, den ent­stan­de­nen Umwelt­scha­den zu erset­zen. Wei­ter­hin besteht die Mög­lich­keit, den Täter zeit­wei­lig oder dau­er­haft vom Zugang zu öffent­li­cher Finan­zie­rung – dar­un­ter Aus­schrei­bungs­ver­fah­ren und Bei­hil­fen – aus­zu­schlie­ßen oder ihm eine bestehen­de Geneh­mi­gung oder Zulas­sung zu ent­zie­hen. 

Dar­über hin­aus sieht die Richt­li­nie eine ver­schärf­te Sank­tio­nie­rung juris­ti­scher Per­so­nen vor, wenn eine Umwelt­straf­tat zu ihren Guns­ten von einem Organ oder einer sons­ti­gen Lei­tungs­per­son began­gen wur­de. 

Inso­fern bestimmt die Richt­li­nie, dass die Mit­glied­staa­ten in ihren natio­na­len Rege­lun­gen – in Abhän­gig­keit von dem jeweils erfüll­ten Straf­tat­be­stand – Höchst­ge­ld­bu­ßen von min­des­tens 3 % bzw. 5 % des welt­wei­ten Gesamt­um­sat­zes der juris­ti­schen Per­son oder alter­na­tiv dazu 24 Mio. EUR bzw. 40 Mio. EUR vor­se­hen müs­sen, was bei vor­sätz­lich began­ge­nen Straf­ta­ten eine Ver­viel­fa­chung der nach gel­ten­dem deut­schen Ord­nungs­wid­rig­kei­ten­recht bis­lang vor­ge­se­he­nen höchst­mög­li­chen Ver­bands­geld­bu­ße (10 Mio. EUR) dar­stellt. 

Neben der Ver­hän­gung einer Geld­bu­ße kön­nen gegen juris­ti­sche Per­so­nen auch wei­ter­ge­hen­de – teils schwer­wie­gen­de­re – Maß­nah­men und Sank­tio­nen ergrif­fen wer­den. Zu die­sem umfas­sen­den Maß­nah­men­pa­ket zählt die Ver­pflich­tung der juris­ti­schen Per­son, den vor­he­ri­gen Zustand der Umwelt inner­halb einer bestimm­ten Frist wie­der­her­zu­stel­len oder einen mone­tä­ren Aus­gleich für ent­stan­de­nen Umwelt­scha­den zu leis­ten. Zudem besteht die Mög­lich­keit, auch die juris­ti­sche Per­son dau­er­haft vom Zugang zu öffent­li­cher Finan­zie­rung (z. B. Aus­schrei­bungs­ver­fah­ren und Bei­hil­fe) aus­zu­schlie­ßen oder die­ser Geneh­mi­gun­gen und Zulas­sun­gen zu ent­zie­hen. Auch kann das Ver­bot aus­ge­spro­chen wer­den, eine bestimm­te Geschäfts­tä­tig­keit aus­zu­üben oder die voll­stän­di­ge Betriebs­schlie­ßung ange­ord­net wer­den. Fer­ner ist die Anord­nung der rich­ter­li­chen Auf­sicht über das Unter­neh­men sowie die Eröff­nung eines Liqui­da­ti­ons­ver­fah­rens bzw. die Unter­neh­mens­auf­lö­sung mög­lich. Schließ­lich kann die juris­ti­sche Per­son auch ver­pflich­tet wer­den, Sys­te­me zur Erfül­lung von Sorg­falts­pflich­ten ein­zu­rich­ten, um die Umwelt­stan­dards zu verbessern.

Fazit und Ausblick

Die Richt­li­nie über den straf­recht­li­chen Schutz der Umwelt zeigt, dass die EU fest ent­schlos­sen ist, Umwelt­kri­mi­na­li­tät künf­tig här­ter und effek­ti­ver zu bekämp­fen. Die in der neu­en Richt­li­nie dazu vor­ge­se­he­nen Ver­schär­fun­gen rei­chen weit über das hin­aus, was man gemein­hin noch unter den Begriff der „Sym­bol­po­li­tik“ fas­sen könnte.

Ob die Richt­li­nie, wie es in ihren Erwä­gungs­grün­den heißt, tat­säch­lich zu mehr Rechts­si­cher­heit bei der Bekämp­fung von Umwelt­kri­mi­na­li­tät füh­ren wird, darf aller­dings bezwei­felt wer­den. Im Gegen­teil dürf­ten sich die bereits heu­te bei der Anwen­dung umwelt­straf­recht­li­cher Vor­schrif­ten bestehen­den Schwie­rig­kei­ten vergrößern.

Nun­mehr hängt viel davon ab, wie viel Mühe und hand­werk­li­che Sorg­falt der natio­na­le Gesetz­ge­ber bei der Umset­zung der Richt­li­nie in natio­na­les Recht wal­ten las­sen wird. Hier­für wird ihm eine Umset­zungs­frist von 24 Mona­ten nach Inkraft­tre­ten der Richt­li­nie ein­ge­räumt. Ins­be­son­de­re die kom­ple­xe Aus­ge­stal­tung der ein­zel­nen Straf­tat­be­stän­de sowie die im deut­schen Straf­recht teil­wei­se neu­ar­ti­gen Rege­lun­gen zu den Rechts­fol­gen wer­den natio­na­len Gesetz­ge­ber dabei vor erheb­li­che Her­aus­for­de­run­gen stel­len. 

Auch wenn das „neue“ Umwelt­straf­recht – bei frist­ge­rech­ter Umset­zung durch den deut­schen Gesetz­ge­ber – im Mai 2026 Anwen­dung fin­det, ist poten­zi­ell Betrof­fe­nen nicht zuletzt wegen der weit­rei­chen­den Sank­ti­ons­an­dro­hun­gen – bereits heu­te zu emp­feh­len, sich mit den ver­än­der­ten straf- und buß­geld­recht­li­chen Rah­men­be­din­gun­gen zu befas­sen. 

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