Mandanteninformation 12/2024
Die EU hat im Zuge ihres Green Deal die Richtlinie über den strafrechtlichen Schutz der Umwelt aus dem Jahre 2008 novelliert und deutlich verschärft. In der neuen Richtlinie 2024/1203 wird der Katalog der Umweltstraftatbestände von bislang neun auf zwanzig erweitert. Festgelegt werden zudem Mindesthöchstmaße für zu verhängende Freiheits- und Geldstrafen sowie Bußgelder. Darüber hinaus werden zahlreiche weitere Sanktionen eingeführt. Die neue EU-Richtlinie ist bis zum 21. Mai 2026 in nationales Recht umzusetzen. Bereits heute ist absehbar, dass die Novelle zu einer erheblichen Verschärfung des nationalen Umweltstrafrechts führen wird.
Auslöser der Novelle ist eine von der EU-Kommission in den Jahren 2019 und 2020 durchgeführte Evaluation der geltenden EU-Umweltstrafrechtsrichtlinie 2008/99, deren Ergebnis im Oktober 2020 veröffentlicht wurde. Darin gelangt die Kommission zu dem Schluss, dass die Richtlinie 2008/99 in der Praxis keine große Wirkung gezeigt hat. Insbesondere sei die Zahl der Fälle von Umweltkriminalität, die erfolgreich untersucht und geahndet wurden, gering geblieben, während insgesamt ein Anstieg grenzüberschreitender Umweltkriminalität zu verzeichnen gewesen sei. In allen EU-Mitgliedstaaten und auf allen Ebenen der Durchsetzungskette bestünden, so die Kommission, teils erhebliche Vollzugsdefizite. Zudem seien die in den Mitgliedstaaten verhängten Sanktionen zu niedrig, um eine abschreckende Wirkung zu entfalten.
Die Novelle der Richtlinie über den strafrechtlichen Schutz der Umwelt soll die von der Kommission festgestellten „Defizite“ beheben. Das Umweltstrafrecht soll durch die Novelle präziser, wirksamer und abschreckender gestaltet werden; dadurch soll die Beachtung der EU-Umweltrechts verbessert und die (grenzüberschreitende) Umweltkriminalität bereits an ihrem Ursprung effektiv bekämpft werden.
Mit Hilfe der neuen Richtlinie sollen diese Missstände wie folgt bekämpft werden:
Neue Umweltstraftatbestände
Den Kern der neuen Richtlinie bilden – neben der Verschärfung bereits bestehender Umweltstraftatbestände – elf gänzlich neue Straftatbestände, die teilweise der strafrechtlichen Sanktionierung umweltrechtlicher Vorgaben dienen, die in den letzten Jahren neu geschaffen wurden.
Zukünftig wird beispielsweise
- das Inverkehrbringen, die Bereitstellung oder die Ausfuhr von nicht entwaldungsfreien Rohstoffen und Erzeugnissen im Sinne der EU-Entwaldungsverordnung,
- unter bestimmten Voraussetzungen das Herstellen sowie das Inverkehrbringen potenziell umweltschädigender Erzeugnisse,
- der (schwerwiegende) Verstoß gegen das EU-Chemikalienrecht,
- die Durchführung UVP-pflichtiger Vorhaben ohne die erforderliche Genehmigung,
- das illegale Recycling von Schiffen,
- die illegale Herstellung, Einfuhr, Verwendung, Lagerung und Ausfuhr von Quecksilber,
- die illegale Entnahme von Oberflächen- und Grundwasser,
- die Tötung, die Zerstörung, die Entnahme, der Besitz, der Verkauf oder das Anbieten zum Verkauf von einem oder mehreren Exemplaren bestimmter wildlebender Tier- oder Pflanzenarten,
- die Herstellung, das Inverkehrbringen, die Einfuhr, die Ausfuhr, die Verwendung oder die Freisetzung bestimmter ozonabbauender Stoffe und Gemische
unter Strafe gestellt, soweit dies jeweils vorsätzlich oder grob fahrlässig geschieht.
Die Regelungstechnik der einzelnen Straftatbestände ist wegen ihrer Vielzahl an Verweisungen auf die Regelungen des europäischen Umweltverwaltungsrechts sowie die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe äußerst komplex und dürfte für den umweltrechtlich nicht versierten Bürger kaum noch verständlich sein. Probleme bei der Rechtsanwendung sind absehbar.
Nicht bewahrheitet hat sich die noch im Rechtsetzungsverfahren sowohl vom Bundesrat als auch vom Strafrechtsausschuss des Deutschen Anwaltvereins vorgebrachte Befürchtung, durch die Straftatbestände, die insbesondere das Inverkehrbringen umweltschädigender Erzeugnisse betreffen, werde ein Produkt- bzw. Verbraucherschutzstrafrecht „durch die Hintertür“ einer umweltstrafrechtlichen Richtlinie eingeführt. In der Entwurfsfassung der EU-Kommission war insoweit eine Strafbarkeit bereits dann vorgesehen, wenn ein Erzeugnis zumindest grob fahrlässig in den Verkehr gebracht wird, dessen Verwendung unter Verstoß gegen ein Verbot oder eine andere Anforderung erhebliche Schäden an Menschen verursacht oder verursachen kann. Auf die Vermittlung dieses Gefährdungspotenzials durch eine Verschmutzung von Luft, Wasser oder Boden sollte es insoweit nicht ankommen. In der nunmehr verabschiedeten Richtlinienfassung ist findet sich ein solcher Straftatbestand nicht mehr. Das (rechtswidrige) Inverkehrbringen eines Erzeugnisses ist danach nur noch dann unter Strafe zu stellen, wenn dessen Verwendung zu einer Umweltverschmutzung führt und es aufgrund dieser Umweltverschmutzung zu einer Gefahr für Leib und Leben kommt oder kommen kann.
Erweiterte und verschärfte Sanktionsandrohungen
Für die Sanktionierung natürlicher Personen formuliert die Richtlinie Mindestvorgaben für (Freiheits-)Höchststrafen von drei, fünf, acht und zehn Jahren, die von den Mitgliedstaaten zwingend in nationales Recht umzusetzen sind.
Bemerkenswert ist, dass die Richtlinie neben der Verhängung der „eigentlichen“ Freiheits- oder Geldstrafe die Möglichkeit der Ergreifung zusätzlicher Sanktionen und Maßnahmen gegen natürliche Personen vorsieht. So kann der Täter verpflichtet werden, den vorherigen Zustand der Umwelt innerhalb einer bestimmten Frist wiederherzustellen oder, falls ihm dies nicht möglich ist bzw. bei irreversiblen Umweltschäden, den entstandenen Umweltschaden zu ersetzen. Weiterhin besteht die Möglichkeit, den Täter zeitweilig oder dauerhaft vom Zugang zu öffentlicher Finanzierung – darunter Ausschreibungsverfahren und Beihilfen – auszuschließen oder ihm eine bestehende Genehmigung oder Zulassung zu entziehen.
Darüber hinaus sieht die Richtlinie eine verschärfte Sanktionierung juristischer Personen vor, wenn eine Umweltstraftat zu ihren Gunsten von einem Organ oder einer sonstigen Leitungsperson begangen wurde.
Insofern bestimmt die Richtlinie, dass die Mitgliedstaaten in ihren nationalen Regelungen – in Abhängigkeit von dem jeweils erfüllten Straftatbestand – Höchstgeldbußen von mindestens 3 % bzw. 5 % des weltweiten Gesamtumsatzes der juristischen Person oder alternativ dazu 24 Mio. EUR bzw. 40 Mio. EUR vorsehen müssen, was bei vorsätzlich begangenen Straftaten eine Vervielfachung der nach geltendem deutschen Ordnungswidrigkeitenrecht bislang vorgesehenen höchstmöglichen Verbandsgeldbuße (10 Mio. EUR) darstellt.
Neben der Verhängung einer Geldbuße können gegen juristische Personen auch weitergehende – teils schwerwiegendere – Maßnahmen und Sanktionen ergriffen werden. Zu diesem umfassenden Maßnahmenpaket zählt die Verpflichtung der juristischen Person, den vorherigen Zustand der Umwelt innerhalb einer bestimmten Frist wiederherzustellen oder einen monetären Ausgleich für entstandenen Umweltschaden zu leisten. Zudem besteht die Möglichkeit, auch die juristische Person dauerhaft vom Zugang zu öffentlicher Finanzierung (z. B. Ausschreibungsverfahren und Beihilfe) auszuschließen oder dieser Genehmigungen und Zulassungen zu entziehen. Auch kann das Verbot ausgesprochen werden, eine bestimmte Geschäftstätigkeit auszuüben oder die vollständige Betriebsschließung angeordnet werden. Ferner ist die Anordnung der richterlichen Aufsicht über das Unternehmen sowie die Eröffnung eines Liquidationsverfahrens bzw. die Unternehmensauflösung möglich. Schließlich kann die juristische Person auch verpflichtet werden, Systeme zur Erfüllung von Sorgfaltspflichten einzurichten, um die Umweltstandards zu verbessern.
Fazit und Ausblick
Die Richtlinie über den strafrechtlichen Schutz der Umwelt zeigt, dass die EU fest entschlossen ist, Umweltkriminalität künftig härter und effektiver zu bekämpfen. Die in der neuen Richtlinie dazu vorgesehenen Verschärfungen reichen weit über das hinaus, was man gemeinhin noch unter den Begriff der „Symbolpolitik“ fassen könnte.
Ob die Richtlinie, wie es in ihren Erwägungsgründen heißt, tatsächlich zu mehr Rechtssicherheit bei der Bekämpfung von Umweltkriminalität führen wird, darf allerdings bezweifelt werden. Im Gegenteil dürften sich die bereits heute bei der Anwendung umweltstrafrechtlicher Vorschriften bestehenden Schwierigkeiten vergrößern.
Nunmehr hängt viel davon ab, wie viel Mühe und handwerkliche Sorgfalt der nationale Gesetzgeber bei der Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht walten lassen wird. Hierfür wird ihm eine Umsetzungsfrist von 24 Monaten nach Inkrafttreten der Richtlinie eingeräumt. Insbesondere die komplexe Ausgestaltung der einzelnen Straftatbestände sowie die im deutschen Strafrecht teilweise neuartigen Regelungen zu den Rechtsfolgen werden nationalen Gesetzgeber dabei vor erhebliche Herausforderungen stellen.
Auch wenn das „neue“ Umweltstrafrecht – bei fristgerechter Umsetzung durch den deutschen Gesetzgeber – im Mai 2026 Anwendung findet, ist potenziell Betroffenen nicht zuletzt wegen der weitreichenden Sanktionsandrohungen – bereits heute zu empfehlen, sich mit den veränderten straf- und bußgeldrechtlichen Rahmenbedingungen zu befassen.
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