Mandanteninformation 05/2024
Die Novelle des europäischen Abfallverbringungsrechts wurde am 25.03.2024 im Rat verabschiedet. Dies hat die EU in einer Pressemitteilung vom gleichen Tage bekanntgegeben. Damit hat das rund zweieinhalbjährige EU-Gesetzgebungsverfahren ein Ende gefunden. Die neue Verordnung kann nunmehr im Amtsblatt verkündet werden; anwendbar werden die Neuregelungen aber grundsätzlich erst nach Ablauf von zwei Jahren.
Als Kernelemente der neuen Verordnungen werden in der EU-Pressemitteilung ein Verbringungsverbot für Abfälle zur Beseitigung innerhalb der EU, die Fortgeltung des Verfahrens der allgemeinen Informationspflichten für „grün gelistete“ Abfälle zur Verwertung und die Verschärfung der Exportregelungen in Drittstaaten (also Staaten, die nicht der EU angehören) genannt. Entgegen dieser Ankündigung sind hinsichtlich der beiden erstgenannten Punkte keine wesentlichen Neuerungen gegenüber der bisherigen Rechtslage zu verzeichnen.
So wird das Verbringungsverbot für Abfälle zur Beseitigung innerhalb der EU durch die Möglichkeit eingeschränkt, die Verbringung in einem Notifizierungsverfahren zuzulassen. Bei Lichte betrachtet ist die Verbringung von Abfällen zur Beseitigung in andere EU-Mitgliedstaaten somit nicht, wie es die Bezeichnung „Verbringungsverbot“ nahelegt, vollständig untersagt, sondern steht lediglich unter einem Notifizierungsvorbehalt. Dies ist allerdings bereits nach der bisherigen Rechtslage der Fall. Die Bezeichnung als Verbringungsverbot dürfte daher eher symbolischen Charakter haben, um zum Ausdruck zu bringen, dass derartige Verbringung an sich politisch unerwünscht sind und die Ausnahme bleiben sollen. Lediglich für gemischte Siedlungsabfälle zur Beseitigung gilt nach neuer Rechtslage ein striktes Verbringungsverbot; dies gilt auch dann, wenn die gemischten Siedlungsabfälle zuvor einem Behandlungsverfahren unterzogen worden sind, dass ihre Eigenschaften nicht wesentlich verändert hat.
Hinsichtlich des Verfahrens bei Abfällen der Grünen Liste wird in der EU-Pressemitteilung selbst auf die Kontinuität zur bisherigen Rechtslage hingewiesen. Bemerkenswert ist, dass die Neuerungen, die es in diesem Bereich gibt, wie zum Beispiel die vollständig elektronische Durchführung des Verfahrens, in der Pressemitteilung nicht einmal erwähnt werden. Im Fall der elektronischen Verfahrensführung mag dies seinen Grund darin haben, dass die Einzelheiten erst noch in einem Durchführungsrechtsakt festzulegen sind. Erst dann dürfte ein Urteil darüber möglich sein, ob die elektronische Verfahrensführung für die betroffenen Unternehmen in der Summe eine Erleichterung oder eine zusätzliche Belastung bewirkt.
Eine wesentliche Änderung hat demgegenüber in der Tat der Export von Abfällen in Drittstaaten erfahren. Neu ist insoweit etwa das in der Pressemitteilung angesprochene Verbot für den Export von Kunststoffabfällen in Drittstaaten, die nicht der OECD angehören. In seiner strikten Form gilt dieses Verbot allerdings erst nach Ablauf einer Übergangsphase und dann auch nur vorübergehend; denn nach Ablauf von fünf Jahren haben Nicht-OECD-Drittstaaten unter strengen Voraussetzungen die Möglichkeit, eine Wiederzulassung der Kunststoffexporte durch einen entsprechenden Antrag bei der EU-Kommission zu erwirken. Zu den Neuerungen gehört zudem das in der Pressemitteilung nicht explizit angesprochene Erfordernis einer Auditierung von Zielanlagen in Drittstaaten, das sowohl OECD-Drittstaaten als auch Nicht-OECD-Drittstaaten betrifft und der Sicherstellung einer umweltgerechten Behandlung dient.
Eine Gesamtbewertung der Neuregelungen wird naturgemäß erst möglich sein, wenn praktische Erfahrungen mit ihrer Umsetzung vorliegen. Ob die Regelungen, wie es in der Überschrift der EU-Pressemitteilung heißt, effizienter sein werden als die bisherigen, darf allerdings bezweifelt werden. So wurden, statt bürokratische Anforderungen zu reduzieren, neue Hürden geschaffen. Das bereits angesprochene Erfordernis eines Audits für Zielanlagen in Drittstaaten ist dafür ein Beispiel. Ein weiteres Beispiel ist die Ausweitung der Informationspflichten bei der Verbringung von Abfällen der Grünen Liste, die sich jetzt beispielsweise auch auf nachgeschaltete Anlagen beziehen. Wenig Hoffnung auf Vereinfachung und Beschleunigung begründet zudem der Umstand, dass Bearbeitungsfristen im Notifizierungsverfahren im Vergleich zur bisherigen Rechtslage verlängert worden sind; so müssen Nachforderungen von Informationen nicht mehr innerhalb von drei Werktagen, sondern innerhalb von zehn Werktagen gestellt werden und es sind nach Eingang der Antwort des Notifizierenden bis zu zwei weitere Nachforderungen möglich. Selbst im sogenannten Fast-Track-Notifizierungsverfahren bei Anlagen mit Vorabzustimmung sind die entsprechenden Fristen nicht kürzer als nach bisheriger Rechtslage. Der praktische Wert solcher Verfahrensfristen ist allerdings ohnehin zweifelhaft, da die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass die Bearbeitung von Notifizierungen durch die personell zumeist unzulänglich ausgestatteten Behörden faktisch wesentlich länger dauert als rechtlich vorgesehen. Ansatzpunkte, die geeignet wären, die insoweit bestehenden strukturellen Defizite zu beseitigen, sind in der neuen Verordnung nicht erkennbar.
Insgesamt spricht einiges dafür, dass die Regelungskomplexität durch die Neuregelung nochmals gestiegen ist; dies erschwert die Handhabung durch die betroffenen Wirtschaftsteilnehmer und wird sich voraussichtlich in Fehlern bei der praktischen Anwendung niederschlagen, die letztendlich unter dem Stichwort „illegale Abfallverbringung“ in die Statistiken eingehen.
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