Mandanteninformation 07/2024
Seit geraumer Zeit sind Dauer und Aufwand öffentlich-rechtlicher Zulassungsverfahren im Fokus der öffentlichen Diskussion. Der Gesetzgeber hat auf die landauf, landab zu vernehmenden Klagen, dass „es zu lange dauert und immer komplizierter wird“, in jüngster Zeit mit Gesetzen bzw. Gesetzesinitiativen reagiert, die zu einer Beschleunigung von Vorhabenzulassungsverfahren nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) und dem Fachplanungsrecht führen sollen. Ob diese erhoffte Wirkung eintritt, bleibt abzuwarten. Jedenfalls geben die gesetzgeberischen Aktivitäten Anlass, in Erinnerung zu rufen, welche wesentlichen Beschleunigungspotentiale jenseits der bereits in Kraft getretenen bzw. beabsichtigten Rechtsänderungen bestehen.
Gesetzgeberische Aktivitäten zur Verfahrensbeschleunigung
Aus dem Fachplanungsrecht sind etwa die Ende 2023 bzw. Anfang 2024 in Kraft getretenen Änderungen des Gesetzes zur Beschleunigung von Genehmigungsverfahren im Verkehrsbereich, die Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes sowie das 5. Verwaltungsverfahrensgesetzänderungsgesetz zu nennen. Diese enthalten vor allem verfahrens- und prozessrechtliche, vereinzelt aber auch materiell-rechtliche Beschleunigungsansätze (siehe hierzu die Mandanteninformation 03/24 – Netzausbau: Vorläufige Schlusspunkte der Gesetzgebungsvorhaben zur „Planungsbeschleunigung“ der Bundesregierung in Kraft getreten).
Zur Beschleunigung immissionsschutzrechtlicher Genehmigungsverfahren hat die Bundesregierung bekanntermaßen im Mai 2023 einen Gesetzesentwurf vorgelegt (BR-Drs. 201/23), der sich nach wie vor im Gesetzgebungsverfahren befindet. Neben speziell auf die Genehmigung von Windenergieanlagen zugeschnitten Regelungen finden sich solche, die für alle Genehmigungsverfahren Geltung beanspruchen. So soll der Antragsteller beispielsweise unverzüglich über etwaige Einwände gegen das Vorhaben, die im Genehmigungsverfahren zu beteiligende Behörden geäußert haben, informiert werden. Zudem werden die Voraussetzungen präzisiert, unter denen die drei, sechs bzw. sieben Monate währenden Entscheidungsfristen über Genehmigungsanträge beginnen (Stichwort: Vollständigkeit der Antragsunterlagen) und verlängert werden können.
Es bleibt abzuwarten, ob die bereits in Kraft getretenen bzw. beabsichtigten Regelungen im Ergebnis zu einer namhaften Beschleunigung der betroffenen öffentlich-rechtlichen Zulassungsverfahren beitragen werden, oder ob es insoweit lediglich – aber immerhin – bei partiellen, bereichsspezifischen (Verfahrens)Erleichterungen bleibt. In einer Gesamtbewertung der diversen gesetzgeberischen Beschleunigungsansätze ist jedenfalls festzustellen, dass sich immissionsschutz- und fachplanungsrechtliche Zulassungsverfahren aus Sicht des Antragsstellers bzw. Vorhabenträgers auch künftig als „rechtlicher Hürdenlauf“ darstellen werden. Wie aus rechtlicher Sicht insoweit Beschleunigungspotentiale jenseits der bereits in Kraft getretenen bzw. beabsichtigten Rechtsänderungen generiert werden können, soll im Folgenden anhand eines Überblicks über wesentliche praxisbewährte Ansätze in Erinnerung gerufen werden. Außen vor bleiben dabei vom Antragssteller/Vorhabenträger nicht beeinflussbare Faktoren wie etwa die (kontinuierliche) personelle und sachliche Ausstattung von Behörden oder die Verfügbarkeit qualifizierter Fachgutachter; Faktoren, von denen die Dauer eines Zulassungsverfahrens auch maßgeblich abhängt.
Praxisbewährte Ansätze zur Beschleunigung öffentlich-rechtlicher Zulassungsverfahren
- Von zentraler Bedeutung ist die Identifizierung der relevanten rechtlichen Hürden des in Rede stehenden Zulassungsverfahrens zu einem möglichst frühen Zeitpunkt – und nicht erst dann, wenn es zu grundlegenden Meinungsverschiedenheiten zwischen Antragsteller/Vorhabenträger und Zulassungsbehörde bzw. zu beteiligender Fachbehörde in einem fortgeschrittenen Stand des Zulassungsverfahrens gekommen ist. Neben wesentlichen Verfahrensschritten – etwa Verfahren mit oder ohne Öffentlichkeitsbeteiligung, mit oder ohne UVP – sind insoweit die voraussichtlich einschlägigen, zentralen materiell-rechtlichen Zulassungsvoraussetzungen zu identifizieren.
- Hierzu gehören zunächst solche Zulassungsvoraussetzungen, deren Erfüllung nicht ohne fachgutachterliche Bewertung nachgewiesen werden kann, die der Vorhabenträger vorzulegen hat. Beispielhaft zu nennen sind Lärm- und Luftschadstoffgutachten, wasserrechtliche Fachbeiträge, störfallfachliche sowie – je nach Art und geplantem Standort des Vorhabens – naturschutzfachliche Bewertungen. Gerade letztere können – etwa wegen des vegetationsperiodenabhängigen Kartieraufwands – mit erheblichem Zeitaufwand verbunden sein.
- Insoweit muss nicht nur frühzeitig klar sein, welcher Gutachten es überhaupt bedarf. Vielmehr müssen die einschlägigen rechtlichen Vorgaben speziell für Umfang und Methodik der Gutachtenerstellung möglichst frühzeitig identifiziert werden. Denn wird die – einmal unterstellt berechtigte – Forderung nach einem Gutachten erstmals in einem weiter fortgeschrittenen Stadium des Zulassungsverfahrens erhoben oder ergibt sich in dessen Verlauf berechtigter Korrektur- oder Ergänzungsbedarf, ist dies oftmals mit – z.T. ganz erheblichen – Zeitverlusten verbunden.
- Relevante materiell-rechtliche Zulassungsvoraussetzungen können sich ferner daraus ergeben, dass die Zulassung des Vorhabens von Rechtsakten abhängt, die außerhalb des eigentlichen Zulassungsverfahrens angesiedelt sind und ihrerseits einen – unter Umständen zeitintensiven und aufwändigen – „rechtlichen Hürdenlauf“ beinhalten können. Beispielhaft zu nennen ist die Aufstellung oder Änderung eines Bebauungsplans, die einen rechtlich vorbereiten Dialog mit den kommunalen Planungsträgern erfordert.
- Besondere Sensibilität verlangen zudem solche rechtlichen Vorgaben, deren Regelungsinhalte umstritten sind oder – etwa weil sie neu sind – zu deren Handhabung noch keinerlei oder nur wenige Erfahrungen vorliegen. Hier bedarf es – auch und gerade vor dem Hintergrund der durch das Umweltrechtsbehelfsgesetz (UmwRG) eröffneten Klagemöglichkeiten – einer sorgfältigen Abwägung der rechtlichen Risiken, die mit der Handhabung der betroffenen Rechtsnorm verbunden sind. Dabei zeigt die Erfahrung, dass neue Rechtsvorschriften gerade auch auf Seiten der (Fach)Behörden Unsicherheiten hinsichtlich der korrekten Handhabung auslösen können – dies gilt zum Beispiel auch für einzelne der vor kurzem in Kraft getretenen Normen des Fachplanungsrechts, die der Verfahrensbeschleunigung dienen sollen (dazu oben). Auch aus Sicht von Vorhabenträgern kann eine gute Darstellung und Kommunikation der Folgen verschiedener Auslegungsmöglichkeiten helfen, Zeitverlust durch Anwendungsunsicherheiten zu begrenzen.
- Eine belastbare Identifizierung der Zulassungsvoraussetzungen setzt auf Seiten des Vorhabenträgers bzw. Antragsstellers möglichst frühzeitige Klarheit über den Standort, die technisch-konstruktive Ausgestaltung, die (Leistungs-)Größe und die umweltrelevanten Betriebsabläufe seines Vorhabens voraus. Denn hiervon hängt maßgeblich ab, welche der vorstehend zentralen rechtlichen „Hürden“ mit welchem (auch fachgutachterlichem) Aufwand genommen werden müssen. Soweit sich Einzelheiten des Vorhabens im Laufe des Zulassungsverfahrens ändern – was je nach Vorhaben unvermeidbar ist und im Übrigen auch das Ergebnis einer rechtlichen Bewertung sein kann –, ist dies bei der Identifizierung und Handhabung der zentralen Zulassungsvoraussetzungen – rechtzeitig – mit zu berücksichtigen. Änderungen der Antrags- bzw. Planunterlagen können nicht nur viel Arbeit für die Planer bedeuten, sondern auch – zeitintensive – neue oder jedenfalls ergänzende Behördenbeteiligungen erfordern; bei Verfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung können sich – je nach Stand des Zulassungsverfahrens – zudem Fragen nach einer ergänzenden Öffentlichkeitsbeteiligung stellen.
- Unabdingbar für eine Verfahrensbeschleunigung ist schließlich, dass sich Vorhabenträger bzw. Antragssteller, Planer, involvierte Fachgutachter, beratende Rechtsanwälte und Zulassungsbehörde hinsichtlich Identifizierung und Abarbeitung der relevanten rechtlichen Hürden des in Rede stehenden Zulassungsverfahrens frühzeitig – und im Bedarfsfall wiederholt – austauschen. Idealerweise hat der Vorhabenträger, bevor er das Vorhaben erstmals der Zulassungsbehörde präsentiert, mit seinen Beratern bereits wesentliche zentrale rechtliche Hürden identifiziert und Ideen zu ihrer Bewältigung entwickelt, und hält für den erforderlichen fortlaufenden Austausch mit der Zulassungsbehörde einen zentralen Ansprechpartner bereit.
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