Mandanteninformation 02/2025
Informationsansprüchen kommt im Vergaberecht eine weitreichende Bedeutung zu. Durch sie kann in Erfahrung gebracht werden, ob öffentliche Aufträge ausschreibungspflichtig sind und wann Dienstleistungsaufträge nach Vertragsende wieder am Markt vergeben werden. Der EuGH hatte in seinem Urteil vom 21.11.2024 (C‑336/23) über die Frage zu entscheiden, ob – neben Informationsansprüchen aus nationalem Recht – ein Informationsanspruch unmittelbar aus der Richtlinie 2019/1024 besteht.
Das nationale Recht gibt Antragstellern weitreichende Ansprüche auf Zugang zu den bei den öffentlichen Stellen vorhandenen Informationen. In der Regel muss der Antragsteller hierzu kein berechtigtes Interesse geltend machen. Ausgeschlossen sind unter anderem Ansprüche auf Zugang zu Informationen, die ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis beinhalten.
Der EuGH hatte nun über die Frage zu entscheiden, ob sich – zusätzlich zu den Ansprüchen aus nationalem Recht – aus der EU-Richtlinie über offene Daten und die Weiterverwendung von Informationen des öffentlichen Sektors (Richtlinie 2019/1024) ein Anspruch auf Zugang zu Dokumenten ergibt, die im Besitz einer öffentlichen Stelle sind. Sofern ein solcher Anspruch bestanden hätte, hätten die Regelungen der Richtlinie gegebenenfalls einen geringeren Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen geboten.
Der EuGH entschied jedoch, dass sich ein eigenständiger Anspruch auf Zugang zu Dokumenten nicht aus dem Regelungsgehalt der Richtlinie 2019/1024 ergibt. Die Richtlinie regele ausschließlich die Weiterverwendung vorhandener Dokumente. „Weiterverwendung“ im Sinne der Richtlinie meine die Nutzung von Dokumenten für einen anderen als den ursprünglichen Zweck, für den die Dokumente erstellt wurden. Der Begriff der Weiterverwendung setze damit zwar denklogisch den vorherigen Zugang zu den Dokumenten voraus. Zugang und Weiterverwendung seien aber zwei offensichtlich unterschiedliche Vorgänge, sodass die Richtlinie konsequenterweise auch keine Informationszugangsregelungen zum Gegenstand haben könne, gleichwohl aber solche Regelungen im Recht der Mitgliedsstaaten oder der EU voraussetze. Im Übrigen lässt die Richtlinie nach Auffassung des EuGH die Zugangsregelungen der Union und der Mitgliedstaaten aber ausdrücklich unberührt.
Damit ergeben sich Ansprüche auf Informationszugang nach wie vor ausschließlich aus nationalem Recht. Ein weitergehender Informationsanspruch aus der Richtlinie 2019/1024 besteht nicht.
In Deutschland können sich Informationsansprüche aus bestehenden Landes- oder Bundesregelungen zu Informationsfreiheitsgesetzen, aus Treu und Glauben gemäß § 242 BGB, während eines Verwaltungsverfahrens aus § 28 VwVfG oder während eines vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahrens aus einem Akteneinsichtsrecht nach § 165 GWB ergeben. Eingeschränkt werden diese Ansprüche allesamt durch den Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen.
Das Angebot eines Mitbieters und Wettbewerbers stellt hierbei in der Regel ein Betriebs- und Geschäftsgeheimnis dar, in das keine Einsicht gewährt wird. Kein Betriebs- und Geschäftsgeheimnis stellen jedoch Angaben zum jährlichen Auftragswert dar und mithin zu der Frage, ob ein solcher Auftrag aufgrund Überschreitung von bestimmten Schwellenwerten ausschreibungspflichtig ist. Ebenso stellt es kein Betriebs- und Geschäftsgeheimnis dar, wann Verträge einschließlich etwaiger Optionen enden und somit wieder am Markt vergeben werden. Weiterhin hat ein Bieter Anspruch auf Einsicht in eine Kostenschätzung und eine Vergabeakte, um einen Schadensersatzanspruch begründen zu können. Dies gilt jedoch nur dann, wenn der begründete Verdacht einer Pflichtverletzung bei Durchführung eines Vergabeverfahrens besteht.
Die Entscheidung des EuGH ist nachvollziehbar und verdeutlicht, dass die Richtlinie 2019/1024 keine eigenständigen Ansprüche auf Informationszugang begründet, sondern sich ausschließlich auf die Weiterverwendung bereits zugänglicher Informationen beschränkt. Der Zugang zu Dokumenten bei öffentlichen Stellen bleibt damit den bestehenden nationalen Regelungen vorbehalten, die bereits umfassende Zugangsmöglichkeiten bieten. Gleichzeitig bleibt der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen in vollem Umfang gewahrt.
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