Mandanteninformation 08/2025
Das Oberlandesgericht Hamm hat am 28.05.2025 die Klage eines peruanischen Bauern gegen den Energiekonzern RWE abgewiesen (Az. 5 U 15/17). Der Kläger hat RWE für eine etwaig drohende Gletscherflut in seiner Heimat mitverantwortlich gemacht und auf Feststellung des Bestehens einer anteiligen Kostentragungspflicht für Schutzmaßnahmen geklagt. Anders als die Vorinstanz hält das Oberlandesgericht Hamm eine zivilrechtliche Haftung großer CO₂-Emittenten grundsätzlich für möglich. Die für eine solche Haftung erforderliche Eigentumsgefährdung sah das Oberlandesgericht jedoch nicht als gegeben an.
Das Oberlandesgericht Hamm hat am 28. Mai 2025 die Berufung eines peruanischen Bauern gegen das Urteil des Landgerichts Essen als unbegründet zurückgewiesen und damit das klageabweisende Urteil der Vorinstanz im Ergebnis, aber mit anderer Begründung bestätigt. Der Kläger hatte auf Feststellung des Bestehens einer Pflicht von RWE zur anteiligen Tragung der Kosten für Schutzmaßnahmen gegen eine etwaige Gletscherflut in seiner Heimatstadt Huaraz geklagt. Sein Wohnhaus liegt am Fuß einer Gebirgskette mit mehreren Gletscherseen. Der Kläger befürchtet, dass deren Pegel infolge des Klimawandels ansteigen und eine daraus etwaig resultierende Flutwelle sein Eigentum gefährde. Um dieser Gefahr vorzubeugen, solle der Wasserstand einer nahegelegenen Lagune abgesenkt werden. Er wollte gerichtlich durchsetzen, dass RWE sich anteilig an den dafür veranschlagten Kosten beteiligen muss.
Aus Sicht des Klägers ist RWE für die Durchführung der Schutzmaßnahmen in der Lagune mitverantwortlich, weil Unternehmen, die in besonderem Maße zur Erderwärmung beitrügen, auch anteilig für daraus resultierende Schäden haften müssten – unabhängig von staatlichen Grenzen. Der Kläger rechnete RWE 0,38 Prozent der seit Beginn der Industrialisierung weltweit verursachten CO₂-Emissionen zu und forderte von RWE, 0,38 Prozent der Kosten für Schutzmaßnahmen zu tragen.
In der mündlichen Urteilsbegründung (die schriftliche Urteilsbegründung ist noch nicht veröffentlicht) führte das Oberlandesgericht Hamm aus, dass große CO₂-Emittenten grundsätzlich zivilrechtlich haftbar gemacht werden könnten, wenn eine konkrete Beeinträchtigung drohe und die weiteren Voraussetzungen des § 1004 BGB – insbesondere die Störereigenschaft – erfüllt seien. Im Fall einer drohenden Beeinträchtigung könne der Verursacher von CO₂-Emissionen verpflichtet sein, Maßnahmen zur Gefahrenabwehr zu ergreifen. Verweigere er diese endgültig, könne bereits vor dem tatsächlichen Entstehen von Kosten festgestellt werden, dass er entsprechend seines Emissionsanteils zur Kostentragung verpflichtet sei. Die große Entfernung zwischen dem Wohnort des Anspruchsstellers und dem Unternehmenssitz des Anspruchsgegners stehe einer solchen Haftung grundsätzlich nicht entgegen. Zwar scheide eine zivilrechtliche Haftung einzelner Personen regelmäßig aus, da deren Emissionsbeiträge zu geringfügig seien. Bei großen Emittenten könne die Situation jedoch anders zu bewerten sein. Diese können sich nach Auffassung des Oberlandesgerichts Hamm weder auf einen bestehenden Versorgungsauftrag in Deutschland noch darauf berufen, dass sie im Rahmen geltender öffentlich-rechtlicher Vorschriften gehandelt haben, um Eigentumsbeeinträchtigungen zu rechtfertigen.
Das Oberlandesgericht Hamm verneinte einen Anspruch im konkreten Fall mit der Begründung, dass es an einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit für den Eintritt einer Eigentumsbeeinträchtigung des Klägers fehle. Ein eingeholtes Sachverständigengutachten hatte die Wahrscheinlichkeit eines Überlaufens des Gletschersees in den kommenden 30 Jahren mit lediglich etwa einem Prozent beziffert. Diese geringe Eintrittswahrscheinlichkeit genüge nicht, um eine drohende Beeinträchtigung im Sinne von § 1004 Absatz 1 BGB anzunehmen. Zudem würden selbst im Fall eines Überlaufens die Auswirkungen auf das Grundstück des Klägers gering ausfallen. Nach den Feststellungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen sei lediglich mit einer wenige Zentimeter hohen Welle zu rechnen, deren Fließgeschwindigkeit nicht ausreiche, um die bauliche Substanz des Hauses zu beeinträchtigen.
Mit dem Urteil dürfte der konkrete Rechtsstreit sein Ende gefunden haben, weil die Klageabweisung letztlich auf den vom Oberlandesgericht Hamm in der Beweisaufnahme getroffenen Tatsachenfeststellungen beruht und die über die bisherige Rechtsprechung hinausgehende Rechtsauffassung zur Haftung von Unternehmen für Klimafolgen sich somit im Entscheidungsergebnis nicht auswirkt. Dementsprechend hat das Oberlandesgericht auch die Revision zum Bundesgerichthof nicht zugelassen. Gleichwohl dürfte die Entscheidung „Signalwirkung“ haben und könnte einen Anreiz zu weiteren vergleichbaren Klagen bieten. Dies setzt Unternehmen, die in der Vergangenheit im erheblichen Umfang Treibhausgase emittiert haben, erheblichen rechtlichen Risiken aus.
Zwar liegen die schriftlichen Urteilsgründe noch nicht vor. Gleichwohl gestatten wir uns aus rechtlicher Perspektive bereits heute den Hinweis, dass es auch nach diesem Urteil als bestenfalls fragwürdig erscheint, ob der allgemeine zivilrechtliche Unterlassungsanspruch nach § 1004 BGB oder das allgemeine Deliktsrecht des Bürgerlichen Gesetzbuchs adäquate Instrumente darstellen, um die Herausforderung des globalen Klimawandels zu bewältigen.
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