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UMWELT

OLG Hamm zur zivil­recht­li­chen Haf­tung von CO₂-Emittenten

By 30. Mai 2025No Comments

Man­dan­ten­in­for­ma­ti­on 08/2025

Das Ober­lan­des­ge­richt Hamm hat am 28.05.2025 die Kla­ge eines perua­ni­schen Bau­ern gegen den Ener­gie­kon­zern RWE abge­wie­sen (Az. 5 U 15/17). Der Klä­ger hat RWE für eine etwa­ig dro­hen­de Glet­scher­flut in sei­ner Hei­mat mit­ver­ant­wort­lich gemacht und auf Fest­stel­lung des Bestehens einer antei­li­gen Kos­ten­tra­gungs­pflicht für Schutz­maß­nah­men geklagt. Anders als die Vor­in­stanz hält das Ober­lan­des­ge­richt Hamm eine zivil­recht­li­che Haf­tung gro­ßer CO₂-Emit­ten­ten grund­sätz­lich für mög­lich. Die für eine sol­che Haf­tung erfor­der­li­che Eigen­tums­ge­fähr­dung sah das Ober­lan­des­ge­richt jedoch nicht als gege­ben an.

Das Ober­lan­des­ge­richt Hamm hat am 28. Mai 2025 die Beru­fung eines perua­ni­schen Bau­ern gegen das Urteil des Land­ge­richts Essen als unbe­grün­det zurück­ge­wie­sen und damit das kla­ge­ab­wei­sen­de Urteil der Vor­in­stanz im Ergeb­nis, aber mit ande­rer Begrün­dung bestä­tigt. Der Klä­ger hat­te auf Fest­stel­lung des Bestehens einer Pflicht von RWE zur antei­li­gen Tra­gung der Kos­ten für Schutz­maß­nah­men gegen eine etwa­ige Glet­scher­flut in sei­ner Hei­mat­stadt Hua­raz geklagt. Sein Wohn­haus liegt am Fuß einer Gebirgs­ket­te mit meh­re­ren Glet­scher­seen. Der Klä­ger befürch­tet, dass deren Pegel infol­ge des Kli­ma­wan­dels anstei­gen und eine dar­aus etwa­ig resul­tie­ren­de Flut­wel­le sein Eigen­tum gefähr­de. Um die­ser Gefahr vor­zu­beu­gen, sol­le der Was­ser­stand einer nahe­ge­le­ge­nen Lagu­ne abge­senkt wer­den. Er woll­te gericht­lich durch­set­zen, dass RWE sich antei­lig an den dafür ver­an­schlag­ten Kos­ten betei­li­gen muss. 

Aus Sicht des Klä­gers ist RWE für die Durch­füh­rung der Schutz­maß­nah­men in der Lagu­ne mit­ver­ant­wort­lich, weil Unter­neh­men, die in beson­de­rem Maße zur Erd­er­wär­mung bei­trü­gen, auch antei­lig für dar­aus resul­tie­ren­de Schä­den haf­ten müss­ten – unab­hän­gig von staat­li­chen Gren­zen. Der Klä­ger rech­ne­te RWE 0,38 Pro­zent der seit Beginn der Indus­tria­li­sie­rung welt­weit ver­ur­sach­ten CO₂-Emis­sio­nen zu und for­der­te von RWE, 0,38 Pro­zent der Kos­ten für Schutz­maß­nah­men zu tragen.

In der münd­li­chen Urteils­be­grün­dung (die schrift­li­che Urteils­be­grün­dung ist noch nicht ver­öf­fent­licht) führ­te das Ober­lan­des­ge­richt Hamm aus, dass gro­ße CO₂-Emit­ten­ten grund­sätz­lich zivil­recht­lich haft­bar gemacht wer­den könn­ten, wenn eine kon­kre­te Beein­träch­ti­gung dro­he und die wei­te­ren Vor­aus­set­zun­gen des § 1004 BGB – ins­be­son­de­re die Stör­er­ei­gen­schaft – erfüllt sei­en. Im Fall einer dro­hen­den Beein­träch­ti­gung kön­ne der Ver­ur­sa­cher von CO₂-Emis­sio­nen ver­pflich­tet sein, Maß­nah­men zur Gefah­ren­ab­wehr zu ergrei­fen. Ver­wei­ge­re er die­se end­gül­tig, kön­ne bereits vor dem tat­säch­li­chen Ent­ste­hen von Kos­ten fest­ge­stellt wer­den, dass er ent­spre­chend sei­nes Emis­si­ons­an­teils zur Kos­ten­tra­gung ver­pflich­tet sei. Die gro­ße Ent­fer­nung zwi­schen dem Wohn­ort des Anspruchs­stel­lers und dem Unter­neh­mens­sitz des Anspruchs­geg­ners ste­he einer sol­chen Haf­tung grund­sätz­lich nicht ent­ge­gen. Zwar schei­de eine zivil­recht­li­che Haf­tung ein­zel­ner Per­so­nen regel­mä­ßig aus, da deren Emis­si­ons­bei­trä­ge zu gering­fü­gig sei­en. Bei gro­ßen Emit­ten­ten kön­ne die Situa­ti­on jedoch anders zu bewer­ten sein. Die­se kön­nen sich nach Auf­fas­sung des Ober­lan­des­ge­richts Hamm weder auf einen bestehen­den Ver­sor­gungs­auf­trag in Deutsch­land noch dar­auf beru­fen, dass sie im Rah­men gel­ten­der öffent­lich-recht­li­cher Vor­schrif­ten gehan­delt haben, um Eigen­tums­be­ein­träch­ti­gun­gen zu rechtfertigen.

Das Ober­lan­des­ge­richt Hamm ver­nein­te einen Anspruch im kon­kre­ten Fall mit der Begrün­dung, dass es an einer hin­rei­chen­den Wahr­schein­lich­keit für den Ein­tritt einer Eigen­tums­be­ein­träch­ti­gung des Klä­gers feh­le. Ein ein­ge­hol­tes Sach­ver­stän­di­gen­gut­ach­ten hat­te die Wahr­schein­lich­keit eines Über­lau­fens des Glet­scher­sees in den kom­men­den 30 Jah­ren mit ledig­lich etwa einem Pro­zent bezif­fert. Die­se gerin­ge Ein­tritts­wahr­schein­lich­keit genü­ge nicht, um eine dro­hen­de Beein­träch­ti­gung im Sin­ne von § 1004 Absatz 1 BGB anzu­neh­men. Zudem wür­den selbst im Fall eines Über­lau­fens die Aus­wir­kun­gen auf das Grund­stück des Klä­gers gering aus­fal­len. Nach den Fest­stel­lun­gen des gericht­lich bestell­ten Sach­ver­stän­di­gen sei ledig­lich mit einer weni­ge Zen­ti­me­ter hohen Wel­le zu rech­nen, deren Fließ­ge­schwin­dig­keit nicht aus­rei­che, um die bau­li­che Sub­stanz des Hau­ses zu beeinträchtigen.

Mit dem Urteil dürf­te der kon­kre­te Rechts­streit sein Ende gefun­den haben, weil die Kla­ge­ab­wei­sung letzt­lich auf den vom Ober­lan­des­ge­richt Hamm in der Beweis­auf­nah­me getrof­fe­nen Tat­sa­chen­fest­stel­lun­gen beruht und die über die bis­he­ri­ge Recht­spre­chung hin­aus­ge­hen­de Rechts­auf­fas­sung zur Haf­tung von Unter­neh­men für Kli­ma­fol­gen sich somit im Ent­schei­dungs­er­geb­nis nicht aus­wirkt. Dem­entspre­chend hat das Ober­lan­des­ge­richt auch die Revi­si­on zum Bun­des­ge­richt­hof nicht zuge­las­sen. Gleich­wohl dürf­te die Ent­schei­dung „Signal­wir­kung“ haben und könn­te einen Anreiz zu wei­te­ren ver­gleich­ba­ren Kla­gen bie­ten. Dies setzt Unter­neh­men, die in der Ver­gan­gen­heit im erheb­li­chen Umfang Treib­haus­ga­se emit­tiert haben, erheb­li­chen recht­li­chen Risi­ken aus. 

Zwar lie­gen die schrift­li­chen Urteils­grün­de noch nicht vor. Gleich­wohl gestat­ten wir uns aus recht­li­cher Per­spek­ti­ve bereits heu­te den Hin­weis, dass es auch nach die­sem Urteil als bes­ten­falls frag­wür­dig erscheint, ob der all­ge­mei­ne zivil­recht­li­che Unter­las­sungs­an­spruch nach § 1004 BGB oder das all­ge­mei­ne Delikts­recht des Bür­ger­li­chen Gesetz­buchs adäqua­te Instru­men­te dar­stel­len, um die Her­aus­for­de­rung des glo­ba­len Kli­ma­wan­dels zu bewältigen.

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