Mandanteninformation 03/2023
Im Januar 2023 ist die EU-Corporate Sustainability Reporting Directive (Richtlinie 2022/2464/EU, kurz: „CSRD“) in Kraft getreten. Die erforderliche Umsetzung in deutsches Recht steht noch aus, muss aber spätestens im Juli 2024 erfolgen. Jüngst hat die EU-Kommission zudem einen delegierten Rechtsakt verabschiedet, der die bei der Nachhaltigkeitsberichterstattung anzuwendenden European Sustainability Reporting Standards (kurz: „ESRS“, im Amtsblatt noch nicht verkündet) festlegt. Zahlreiche Unternehmen sind von diesen Vorgaben betroffen. Das gilt auch für solche Einheiten, die nach deutschem Recht bislang noch nicht zu einer Berichterstattung zu Nachhaltigkeitsthemen verpflichtet sind. Denn die neuen Regelungen werden nach ihrer Umsetzung in nationales Recht zu einer substantiellen Erweiterung des Adressatenkreises der grünen Berichtspflichten führen.
Einleitung
§ 289b des Handelsgesetzbuchs („HGB“) verpflichtet bestimmte Unternehmen, ihren Lagebericht um eine nichtfinanzielle Erklärung zu erweitern. Diese Verpflichtung trifft Unternehmen, die die folgenden Voraussetzungen erfüllen:
- es handelt sich um eine sogenannte große Kapitalgesellschaft im Sinne des § 267 Abs. 3 HGB,
- die kapitalmarktorientiert ist (hierunter fallen gemäß § 264d HGB Kapitalgesellschaften, die einen organisierten Markt durch von ihnen ausgegebene Wertpapiere in Anspruch nehmen oder die Zulassung dazu beantragt haben) und
- im Jahresdurchschnitt mehr als 500 Arbeitnehmer beschäftigt.Die vorgenannten Voraussetzungen erfüllen in Deutschland nur wenige Unternehmen. Schätzungen zur Folge soll es sich um ca. 500 Unternehmen handeln.§ 289b HGB wurde im Jahr 2017 in das Handelsgesetzbuch eingefügt zwecks Umsetzung der EU-Non-Financial Reporting Directive (Richtlinie 2014/95/EU, „NFRD“). Die NFRD wurde in den Jahren 2020/2021 umfassend überarbeitet.
Ergebnis dieser Überarbeitung ist die im Januar 2023 in Kraft getretene EU- Corporate Sustainability Reporting Directive (Richtlinie 2022/2464/EU, „CSRD“). Die CSRD verfolgt – als Weiterentwicklung der NFRD – das Ziel, die Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen auszuweiten – und zwar sowohl hinsichtlich des Umfangs der Berichtspflichten als auch hinsichtlich des Kreises der betroffenen Unternehmen. Wegweisend ist insoweit bereits die Namensänderung von Non-Financial Reporting zu Corporate Sustainability Reporting: Nachhaltigkeit soll künftig in der Berichterstattung von Unternehmen integral behandelt und der finanziellen Berichterstattung schrittweise gleichgestellt werden.
Wesentliche Inhalte der CSRD
Die CSRD verpflichtet die EU-Mitgliedstaaten, ihre nationalen Rechtsordnungen so zu erweitern, dass Unternehmen im Rahmen einer Nachhaltigkeitsberichterstattung alle wesentlichen nachhaltigkeitsbezogenen Informationen veröffentlichen müssen, die für das Verständnis ihres Geschäftsverlaufs, ihrer wirtschaftlichen Lage und ihres Geschäftsergebnisses erforderlich sind („outside-in-Perspektive“), sowie die Informationen, die erforderlich sind, um die Auswirkungen ihrer Geschäftstätigkeit auf die Gesellschaft und Umwelt zu verstehen („inside-out-Perspektive“).
Die Nachhaltigkeitsberichterstattung hat danach insbesondere folgende Informationen zu umfassen:
- eine Beschreibung des Geschäftsmodells des Unternehmens und der Unternehmensstrategie,
- eine Beschreibung der Nachhaltigkeitsziele des Unternehmens und der Fortschritte, die das Unternehmen im Hinblick auf die Erreichung dieser Ziele gemacht hat,
- eine Beschreibung der Rolle der Verwaltungs‑, Leitungs- und Aufsichtsorgane im Zusammenhang mit Nachhaltigkeitsaspekten sowie ihres Fachwissens und ihrer Fähigkeiten zur Wahrnehmung dieser Rolle,
- eine Beschreibung der Unternehmenspolitik hinsichtlich Nachhaltigkeit,
- eine Beschreibung der wichtigsten tatsächlichen oder potenziellen negativen Auswirkungen, die mit der eigenen Geschäftstätigkeit des Unternehmens und mit seiner Wertschöpfungskette, einschließlich seiner Produkte und Dienstleistungen, seiner Geschäftsbeziehungen und seiner Lieferkette, verknüpft sind, sowie eine Beschreibung der Maßnahmen zur Ermittlung und Überwachung dieser negativen Auswirkungen,
- eine Beschreibung der wichtigsten Risiken, denen das Unternehmen im Zusammenhang mit Nachhaltigkeitsaspekten ausgesetzt ist, einschließlich einer Beschreibung der wichtigsten Abhängigkeiten in diesem Bereich, und der Handhabung dieser Risiken durch das Unternehmen.
Konkretisiert werden die neuen Berichtspflichten durch die European Sustainability Reporting Standards (ESRS), welche von der EU-Kommission auf der Grundlage der CSRD erlassen werden und die Inhalte der Nachhaltigkeitsberichterstattung für verschiedene Themenfelder (z.B. Klimawandel, Rohstoffnutzung und Kreislaufwirtschaft) im Einzelnen festlegen. Die ESRS wurden am 31. Juli 2023 von der Kommission verabschiedet, bisher jedoch noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht.
Adressatenkreis
Damit Nachhaltigkeitsthemen die vom CSRD-Richtliniengeber gewünschte Breitenwirkung entfalten, gibt die CSRD vor, dass die Pflicht zur Nachhaltigkeitsberichterstattung durch nationales Recht zukünftig auf wesentlich mehr Unternehmen als bislang erstreckt werden muss.
Unmittelbar betroffene Unternehmen
Die CSRD verpflichtet die EU-Mitgliedstaaten, ihre nationalen Rechtsordnungen so zu erweitern, dass der Kreis der Unternehmen, die die Pflichten zur Nachhaltigkeitsberichterstattung treffen, stufenweise wie folgt erweitert wird:
Für am oder nach dem 01.01.2024 beginnende Geschäftsjahre müssen die EU-Mitgliedstaaten die in der CSRD vorgesehene Nachhaltigkeitsberichterstattung nur für diejenigen Unternehmen verpflichtend machen, die aktuell die nichtfinanziellen Berichtspflichten treffen, also die Berichtspflichten, die in Umsetzung der NFRD in das nationale Recht aufgenommen wurden. In Deutschland sind dies die nichtfinanziellen Berichtspflichten gemäß §§ 289b HGB ff.
Für am oder nach dem 01.01.2025 beginnende Geschäftsjahre müssen die EU-Mitgliedstaaten die in der CSRD vorgesehene Nachhaltigkeitsberichterstattung für alle Kapitalgesellschaften verpflichtend machen, die mindestens zwei der nachfolgenden Merkmale überschreiten:
- 20 Mio. Euro Bilanzsumme.
- 40 Mio. Euro Umsatzerlöse.
- im Jahresdurchschnitt 250 Beschäftigte/Arbeitnehmer (die CSRD verwendet den Begriff des „Beschäftigten“; es ist anzunehmen, dass der deutsche Gesetzgeber im Rahmen der Umsetzung der CSRD wie bislang den – allerdings nicht vollständig deckungsgleichen – Begriff des „Arbeitnehmers“ verwenden wird).Auf eine Kapitalmarktorientierung kommt es bei diesen Unternehmen nicht an.
Für am oder nach dem 01.01.2026 beginnende Geschäftsjahre müssen die EU-Mitgliedstaaten die in der CSRD vorgesehene Nachhaltigkeitsberichterstattung auch für kleine und mittlere Unternehmen verpflichtend machen, deren Wertpapiere zum Handel an einem geregelten Markt zugelassen sind. Kleine und mittlere Unternehmen sind solche, die mindestens zwei der folgenden Größenmerkmale nicht überschreiten:
- 20 Mio. Euro Bilanzsumme.
- 40 Mio. Euro Umsatzerlöse.
- im Jahresdurchschnitt 250 Beschäftigte/Arbeitnehmer.
Für Kleinstunternehmen müssen die EU-Mitgliedstaaten die in der CSRD vorgesehene Nachhaltigkeitsberichterstattung nicht verpflichtend ausgestalten. Dabei handelt es sich um Unternehmen, die mindestens zwei der folgenden Größenmerkmale nicht überschreiten:
- 350.000 Euro Bilanzsumme.
- 700.000 Euro Umsatzerlöse.
- im Jahresdurchschnitt zehn Beschäftigte/Arbeitnehmer.
Die CSRD verpflichtet die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung in nationales Recht vorzusehen, dass für kleine und mittlere Unternehmen die Möglichkeit besteht, für einen Übergangszeitraum auf die Nachhaltigkeitsberichterstattung zu verzichten. Für Geschäftsjahre, die vor dem 01.01.2028 beginnen, muss Unternehmen das Recht eingeräumt werden, keine Nachhaltigkeitsberichterstattung vornehmen. Allerdings ordnet die CSRD an, dass eine solche unternehmerische Entscheidung begründet werden muss.
Mittelbar betroffene Unternehmen
Neben den vorgenannten unmittelbar betroffenen Unternehmen können künftig auch andere Unternehmen mittelbar von den Änderungen betroffen sein, die sich aus der Umsetzung der CSRD in nationales Recht ergeben werden. Denn im Rahmen der Nachhaltigkeitsberichterstattung werden künftig auch tatsächliche oder potentielle negative Auswirkungen zu beschreiben sein, die mit der Geschäftstätigkeit des berichtspflichtigen Unternehmens und mit seiner Wertschöpfungskette, einschließlich seiner Produkte und Dienstleistungen, seiner Geschäftsbeziehungen und seiner Lieferkette, verknüpft sind. Aus diesem Grund müssen auch Unternehmen in der Wertschöpfungs-/Lieferkette, die in Umsetzung der CSRD in nationales Recht nicht selbst unmittelbar zu einer Nachhaltigkeitsberichterstattung verpflichtet sein werden, damit rechnen, dass die diesbezüglich verpflichteten Unternehmen von Ihnen Informationen anfordern, um ihren entsprechenden Berichtspflichten nachzukommen.
Was ist zu tun?
Unternehmen sollten rechtzeitig prüfen, ob und ggf. zu welchem Zeitpunkt sie zu den Unternehmen gehören, die nach der Umsetzung der CSRD in nationales Recht zu einer Nachhaltigkeitsberichterstattung verpflichtet sind. Nur so können sie sich rechtzeitig auf die sie treffenden Nachhaltigkeitsberichtspflichten einstellen und die insoweit erforderlichen Prozesse rechtzeitig vorbereiten und implementieren. Aber auch Unternehmen, die nach der Umsetzung der CSRD in nationales Recht nicht zu einer Nachhaltigkeitsberichterstattung verpflichtet sein werden, sind gut beraten, sich frühzeitig damit zu befassen, ob und bejahendenfalls welche Auswirkungen Nachhaltigkeitsberichtspflichten anderer Unternehmen in ihren Wertschöpfungs-/Lieferketten auf sie haben können.
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