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ESG

Pro­dukt­nach­hal­tig­keit als neue EU-wei­te Norm

By 26. April 2024Mai 1st, 2024No Comments

Man­dan­ten­in­for­ma­ti­on 08/2024

Pro­dukt­nach­hal­tig­keit als neue EU-wei­te Norm: Mit der neu­en Öko­de­sign-Ver­ord­nung müs­sen sich Wirt­schafts­ak­teu­re auf neue, erheb­lich stren­ge­re Pflich­ten einstellen.

Anfang Dezem­ber 2023 haben die Euro­päi­sche Kom­mis­si­on, der Rat und das Euro­päi­sche Par­la­ment eine poli­ti­sche Eini­gung über die neue Öko­de­sign-Ver­ord­nung erzielt, die die bis­he­ri­ge Öko­de­sign-Richt­li­nie (2009/125/EG) erset­zen wird. Am 23.04.2024 hat das Euro­päi­sche Par­la­ment in ers­ter Lesung für die Rege­lung gestimmt. Der noch feh­len­de fina­le Beschluss des Rates gilt als Form­sa­che und steht unmit­tel­bar bevor. Die Ver­ord­nung wird am 20. Tag nach ihrer Ver­öf­fent­li­chung im Amts­blatt der EU in Kraft tre­ten, die vor­aus­sicht­lich im zwei­ten Quar­tal 2024 erfol­gen wird. Gemäß zahl­rei­cher Über­gangs­vor­schrif­ten wird die Öko­de­sign-Richt­li­nie aller­dings zunächst teil­wei­se wei­ter Anwen­dung finden.

Die Öko­de­sign-Ver­ord­nung fußt auf dem „Green Deal“ der EU und soll dazu bei­tra­gen, des­sen über­ge­ord­ne­te Umwelt‑, Kli­ma- und Ener­gie­zie­le zu errei­chen. Nach­hal­tig kon­zi­pier­te Pro­duk­te sol­len zu einem EU-wei­ten Stan­dard wer­den; ihr CO2- und Umwelt­fuß­ab­druck soll unter Berück­sich­ti­gung des gesam­ten Lebens­zy­klus – von der Ent­wick­lung über den Betrieb bis hin zur Repa­ra­tur oder zum Recy­cling – redu­ziert wer­den (Art. 1 Abs. 1). Dabei ist vor allem beab­sich­tigt, Nach­hal­tig­keits­aspek­te von Anfang an, also bereits bei der Her­stel­lung von Pro­duk­ten, zu berück­sich­ti­gen. Dies soll zu einer Abkehr von der linea­ren Wirt­schaft hin zu einer effi­zi­en­ten Kreis­lauf­wirt­schaft füh­ren und zur Ver­rin­ge­rung von Umwelt- und Kli­ma­aus­wir­kun­gen bei­tra­gen. Zudem will die EU mit der Novel­le der Öko­de­sign-Ver­ord­nung die Ver­nich­tung von gebrauchs­fä­hi­gen Kon­sum­gü­tern wie bei­spiels­wei­se Schu­hen und Tex­ti­li­en stoppen.

Um die­se Zie­le zu errei­chen wird der Anwen­dungs­be­reich des Öko­de­sign­rechts, der mit der bis­he­ri­gen Richt­li­nie auf ener­gie­ver­brauchs­re­le­van­te Pro­duk­te beschränkt war, auf nahe­zu alle in der EU in Ver­kehr gebrach­ten Pro­dukt­ka­te­go­rien erstreckt und deut­lich erwei­tert (erfasst sind bspw. Fern­seh­ge­rä­te, Geschirr­spü­ler oder Auto­la­de­sta­tio­nen). Vom Anwen­dungs­be­reich aus­ge­nom­men sind u. a. Lebens­mit­tel, Arz­nei­mit­tel und teil­wei­se Kraft­ahr­zeu­ge, sofern die­se bereits in ande­ren Rechts­vor­schrif­ten gere­gelt sind (Art. 1 Abs. 2).

Pra­xis­wich­tig ist, dass die neue Ver­ord­nung ledig­lich einen Rege­lungs­rah­men schafft, der die EU-Kom­mis­si­on dazu ermäch­tigt, im Wege sog. „dele­gier­ter Rechts­ak­te“ (vgl. Art. 4 ff. und Art. 72) bestimm­te Öko­de­sign-Anfor­de­run­gen für Pro­duk­te und Pro­dukt­ka­te­go­rien fest­zu­le­gen, die auf dem EU-Bin­nen­markt in Ver­kehr gebracht wer­den sol­len. Die Ver­ord­nung selbst stellt somit kei­ne eige­nen pro­dukt­be­zo­ge­nen, tech­ni­schen Anfor­de­run­gen auf, son­dern schafft ledig­lich den Rah­men für ihren Erlass. Sol­che Anfor­de­run­gen kön­nen sich u. a. auf die Halt­bar­keit, Repa­rier­bar­keit, Nach­rüst­bar­keit, Wie­der­ver­wend­bar­keit, Ener­gie- und Res­sour­cen­ef­fi­zi­enz, Mate­ri­al­nut­zung, Mate­ri­al­ef­fi­zi­enz, schäd­li­che Stof­fe, den Rezy­klat­an­teil, sowie den CO2- und Umwelt­fuß­ab­druck bezie­hen (Art. 5 Abs. 1).  Die Euro­päi­sche Kom­mis­si­on erlässt dazu inner­halb von neun Mona­ten nach Inkraft­tre­ten der Ver­ord­nung (Art. 18 Abs. 5) einen ers­ten auf einen Zeit­raum von drei Jah­ren ange­leg­ten Arbeits­plan und ver­öf­fent­licht in die­sem die Pro­dukt­grup­pen, für die Anfor­de­run­gen ent­wi­ckelt wer­den sol­len (Art. 18 Abs. 3). Die Erfül­lung die­ser Anfor­de­run­gen wird Vor­aus­set­zung für das Inver­kehr­brin­gen des jewei­li­gen Pro­duk­tes sein (Art. 3 Abs. 1).

Es ist jedoch auch die Mög­lich­keit vor­ge­se­hen, dass die Wirt­schafts­ak­teu­re eige­ne Initia­ti­ven ergrei­fen. Zu die­sem Zweck sieht Art. 18 als Alter­na­ti­ve zur hoheit­li­chen Regu­lie­rung Selbst­re­gu­lie­rungs­maß­nah­men der Wirt­schaft vor. Sol­che sind jedoch nur für Pro­duk­te vor­ge­se­hen, die nicht in einem lau­fen­den Arbeits­plan ent­hal­ten sind (Art. 18 Abs. 2).

Die Euro­päi­sche Kom­mis­si­on beab­sich­tigt in ihrem ers­ten Arbeits­plan den Erlass von Rechts­ak­ten für fol­gen­de Pro­dukt­grup­pen zu prio­ri­sie­ren: Eisen, Stahl, Alu­mi­ni­um, Tex­ti­li­en (ins­be­son­de­re Klei­dung und Schu­he), Möbel, Rei­fen, Rei­ni­gungs­mit­tel, Far­ben, Schmier­mit­tel, Che­mi­ka­li­en, ener­gie­re­le­van­te Pro­duk­te, Infor­ma­ti­ons- und Kom­mu­ni­ka­ti­ons­tech­nik und sons­ti­ge Elek­tro­nik (s. hier­zu auch die Pres­se­mit­tei­lung auf der Sei­te des Bun­des­um­welt­mi­nis­te­ri­ums). Auf­grund ihrer beson­ders nega­ti­ven Umwelt­aus­wir­kun­gen ste­hen dabei vor allem „Fast-Fashion-Pro­duk­te“ im Mittelpunkt.

Gemäß Art. 5 der ange­nom­me­nen Fas­sung kann mit zwei Arten von Öko­de­sign-Anfor­de­run­gen gerech­net wer­den. Zum einen wer­den Öko­de­sign-Anfor­de­run­gen für bestimm­te Pro­dukt­grup­pen fest­ge­legt (Art. 5 Abs. 4). Zum ande­ren kön­nen auch sog. „hori­zon­ta­le Öko­de­sign-Anfor­de­run­gen“ fest­ge­legt wer­den, bei denen dele­gier­te Rechts­ak­te gemein­sa­me Infor­ma­ti­ons- oder Leis­tungs­an­for­de­run­gen über meh­re­re Pro­dukt­grup­pen hin­weg regeln (z. B. das Vor­han­den­sein von che­mi­schen Sub­stan­zen in Pro­duk­ten). 

Wirt­schafts­ak­teu­ren und natio­na­len Ver­wal­tun­gen ist durch die dele­gier­ten Rechts­ak­te min­des­tens 18 Mona­te Zeit ein­zu­räu­men, bis sie die neu­en Öko­de­sign-Anfor­de­run­gen beach­ten müs­sen. Dadurch sol­len vor allem klei­ne­re und mitt­le­re Unter­neh­men bei der Umset­zung unter­stützt wer­den. Die Kom­mis­si­on kann jedoch in hin­rei­chend begrün­de­ten Fäl­len auch einen frü­he­ren Gel­tungs­be­ginn bestim­men (Art. 4 Abs. 4). 

Für Wirt­schafts­ak­teu­re erge­ben sich durch die von der EU-Kom­mis­si­on zu erlas­sen­den Rechts­ak­te ver­schie­de­ne Pflich­ten, u. a. die Pflicht zur Ein­hal­tung der Öko­de­sign-Anfor­de­run­gen bei der Her­stel­lung der regu­lier­ten Pro­duk­te, wozu neben den sog. Leis­tungs­an­for­de­run­gen (Art. 6), auch Infor­ma­ti­ons­an­for­de­run­gen (Art. 7) u. a. zur Halt­bar­keit, Repa­rier­bar­keit und zum CO2-/ökologischen Fuß­ab­druck gehö­ren, sowie die Pflicht zur Aus­stel­lung eines digi­ta­len Pro­dukt­pas­ses (Art. 9 bis 15). Ins­be­son­de­re der digi­ta­le Pro­dukt­pass ist ein zen­tra­ler Bestand­teil der neu­en Ver­ord­nung. Das Vor­han­den­sein eines sol­chen Pas­ses ist zukünf­tig erfor­der­lich, um Pro­duk­te in Ver­kehr brin­gen oder in Betrieb neh­men zu dür­fen (Art. 9 Abs. 1). Der Pass soll bestimm­te in Art. 9 Abs. 2 auf­ge­lis­te­te Infor­ma­tio­nen ent­hal­ten, u. a. über die Pro­dukt­zu­sam­men­set­zung, Repa­ra­tur- und Demon­ta­ge­mög­lich­kei­ten. Der Pass muss wäh­rend des gesam­ten Lebens­zy­klus des Pro­dukts zur Ver­fü­gung stehen.

Ins­be­son­de­re Ver­brau­che­rin­nen und Ver­brau­cher dürf­ten von der län­ge­ren Pro­dukt­le­bens­dau­er und den gerin­ge­ren Strom­ver­bräu­chen der gekauf­ten Pro­duk­te pro­fi­tie­ren. Die Pflicht zur Ein­füh­rung eines digi­ta­len Pro­dukt­pas­ses (Art. 9) und (soweit erfor­der­lich) eines Öko­de­sign-Labels (Art. 16, 32) soll eben­falls wich­ti­ge Infor­ma­tio­nen über die Nach­hal­tig­keit von Pro­duk­ten offen­le­gen und damit fun­dier­te Kauf­ent­schei­dun­gen erleichtern.

Neu ist außer­dem ein Ver­nich­tungs­ver­bot für bestimm­te in Anhang VII auf­ge­führ­te unver­kauf­te Ver­brau­cher­pro­duk­te, das Klei­dung, Acces­soires und Schu­he erfasst (Art. 25). Die­se Rege­lung zielt vor allem auf Rück­sen­dun­gen von Waren aus dem Online-Han­del und unver­kauf­te Lager­be­stän­de ab. 

Dar­über hin­aus wer­den Wirt­schafts­ak­teu­re ver­pflich­tet, mit Blick auf die Ent­sor­gung nicht ver­kauf­ter Ver­brau­cher­pro­duk­te bestimm­te Infor­ma­tio­nen, u. a. den Umfang, das Gewicht, die Ent­sor­gungs­grün­de und getrof­fe­nen Maß­nah­men zur Ver­hin­de­rung der Ver­nich­tung, offen­zu­le­gen (Art. 24).

Die Mit­glied­staa­ten legen die Sank­tio­nen fest, die bei Ver­stö­ßen gegen die Bestim­mun­gen die­ser Ver­ord­nung zu ver­hän­gen sind und tref­fen dabei alle erfor­der­li­chen Maß­nah­men, um ihre Anwen­dung zu gewähr­leis­ten (Art. 74). Neu ist außer­dem die Rege­lung zur Haf­tung von Wirt­schafts­ak­teu­ren gegen­über Ver­brau­chern, wenn ein Pro­dukt nicht den Öko­de­sign-Anfor­de­run­gen ent­spricht (Art. 76).

Es wird erwar­tet, dass der Ent­wurf – ver­mut­lich mit gering­fü­gi­gen Ände­run­gen – bis zu den Euro­pa­wah­len im Juni 2024 ange­nom­men wird. Der ers­te drei­jäh­ri­ge Arbeits­plan der Euro­päi­schen Kom­mis­si­on wird somit frü­hes­tens im Früh­jahr 2025 vor­lie­gen. Wirt­schafts­ak­teu­re müs­sen sich auf deut­lich stren­ge­re Ver­pflich­tun­gen ein­stel­len und soll­ten die aktu­el­len Ent­wick­lun­gen auf­merk­sam ver­fol­gen. Ins­be­son­de­re die Grund­zü­ge des ers­ten Arbeits­plans sind in Art. 18 des Ent­wurfs bereits fest­ge­legt, so dass betrof­fe­ne Akteu­re bereits begin­nen kön­nen, sich auf neue Rege­lun­gen vorzubereiten.

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