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PLANUNG

EU-Ver­ord­nung 2024/1991 zur Wie­der­her­stel­lung der Natur gilt seit dem 18.08.2024

By 18. September 2024No Comments

Man­dan­ten­in­for­ma­ti­on 13/2024

Arten- und bio­lo­gi­sche Viel­falt sind Grund­pfei­ler intak­ter Natur, des Kli­ma­schut­zes und des Lebens. Ihr welt­weit mas­si­ver Rück­gang wird seit län­ge­rem beklagt (z.B. „Insek­ten­ster­ben“, „Moor­schwund“ u.a.). Poli­tisch ist der Erhalt der bio­lo­gi­schen Viel­falt erklär­tes Ziel des euro­päi­schen „Green Deal“ und der EU-Bio­di­ver­si­täts­stra­te­gie 2030. Mit der Ver­ord­nung 2024/1991 zur Wie­der­her­stel­lung der Natur ver­folgt der EU-Gesetz­ge­ber das Ziel, not­lei­den­de Öko­sys­te­me erst­mals auf der Gesamt­flä­che der Mit­glied­staa­ten wie­der­her­zu­stel­len. Die neue Ver­ord­nung wird teil­wei­se als Mei­len­stein des Natur­schut­zes gefei­ert, wirft jedoch zahl­rei­che Umset­zungs­fra­gen auf. Nach der Vor­stel­lung des Inhalts (I.) wer­den die Aus­wir­kun­gen der neu­en Ver­ord­nung ins­be­son­de­re auf die Pla­nungs- und Geneh­mi­gungs­pra­xis von raum­be­an­spru­chen­den (Infrastruktur-)Vorhaben einer ers­ten Bewer­tung zuge­führt (II.).

I. Erst­mals gesamt­flä­chi­ge Wie­der­her­stel­lungs­pla­nung für Ökosysteme

Die Ver­ord­nung zur Wie­der­her­stel­lung der Natur (im Fol­gen­den: WVO) defi­niert Wie­der­her­stel­lungs­zie­le für ver­schie­de­ne Öko­sys­te­me und Bestand­tei­le von Öko­sys­te­men, für deren Errei­chung die Mit­glied­staa­ten Wie­der­her­stel­lungs­maß­nah­men in einem ers­ten Schritt pla­nen und dann ergrei­fen müs­sen. Die Rege­lun­gen ver­fol­gen vor­nehm­lich den Zweck, zur „lang­fris­ti­gen und nach­hal­ti­gen Erho­lung bio­di­ver­ser und wider­stands­fä­hi­ger Öko­sys­te­me in den Land- und Mee­res­flä­chen der Mit­glied­staa­ten durch die Wie­der­her­stel­lung geschä­dig­ter Öko­sys­te­me bei­zu­tra­gen“, sowie zur „Ver­wirk­li­chung der über­ge­ord­ne­ten Zie­le der Uni­on in Bezug auf den Kli­ma­schutz“, vgl. Art. 1.

1. Wie­der­her­stel­lung von Land‑, Küsten‑, Süß­was­ser- und Mee­res­öko­sys­te­men (Art. 4 u. 5)

In Bezug auf Land‑, Küsten‑, Süß­was­ser- und Mee­res­öko­sys­te­me wird zwi­schen der Wie­der­her­stel­lung von Lebens­raum­ty­pen (LRT) vor­nehm­lich nach der FFH-Richt­li­nie 92/43/EWG (vgl. Anhang I u. II der WVO, z.B. „Salz­wie­sen im Bin­nen­land“ oder „Muschel­rif­fe in der atlan­ti­schen Lito­r­al­zo­ne“) mit dem Ziel einer „güns­ti­gen Gesamt­flä­che“, einer­seits, und der Wie­der­her­stel­lung der Habi­ta­te von Arten ins­be­son­de­re nach der FFH-Richt­li­nie bzw. der Vogel­schutz­richt­li­nie 2009/147/EG mit dem Ziel einer „aus­rei­chen­den Quan­ti­tät und Qua­li­tät“ ande­rer­seits unter­schie­den (vgl. Art. 4 Abs. 17, 5 Abs. 14). Inso­weit gilt – über den gebiets­be­zo­ge­nen Ansatz der alt­be­kann­ten FFH-Richt­li­nie hin­aus­ge­hend – ein gesamt­flä­chi­ger Ansatz. Hier­bei ist ein schritt­wei­ses Vor­ge­hen, gesteu­ert und kon­kre­ti­siert durch einen für den Mit­glied­staat auf­zu­stel­len­den Wie­der­her­stel­lungs­plan – sie­he dazu nach­fol­gend unter 3. –, vorgesehen.

a. Ziel der „güns­ti­gen Gesamt­flä­che“ von LRT

Ziel ist es, eine „güns­ti­ge Gesamt­flä­che“ von LRT zu errei­chen (§ 4 Abs. 17, 5 Abs. 14). Inso­weit gilt

  • hin­sicht­lich der LRT von Land‑, Küs­ten- und Süß­was­ser­öko­sys­te­men, dass bis zum Jahr 2030 Wie­der­her­stel­lungs­maß­nah­men auf min­des­tens 30% der Gesamt­flä­che der nicht in gutem Zustand befind­li­chen LRT erfol­gen müs­sen, sodann bis zum Jahr 2040 min­des­tens auf 60% und bis zum Jahr 2050 min­des­tens auf 90% der Flä­che des nicht guten Zustands jeder Grup­pe von LRT (Art. 4 Abs. 1). Ähn­lich gestuf­te Fris­ten gel­ten für die Wie­der­her­stel­lung der nicht in gutem Zustand befind­li­chen LRT von Mee­res­öko­sys­te­men (Art. 5 Abs. 1). 
  • Spe­zi­ell für Land‑, Küs­ten- und Süß­was­ser­öko­sys­te­me gilt zudem: Mit Blick auf das bestehen­de FFH-Gebiets­schutz­recht, das eben­falls die Wie­der­her­stel­lung der inso­weit (allein) gebiets­be­zo­gen geschütz­ten LRT ver­langt, haben bis 2030 Wie­der­her­stel­lungs­maß­nah­men inso­weit Vor­rang (Art. 4 Abs. 1 UAbs. 2). Für häu­fig vor­kom­men­de LRT, die mehr als 3% des euro­päi­schen Hoheits­ge­biets abde­cken, gel­ten unter bestimm­ten Vor­aus­set­zun­gen ver­rin­ger­te Flä­chen­an­tei­le für die Wie­der­stel­lungs­maß­nah­men (Art. 4 Abs. 2 u. 3).
  • Ergän­zend zur Ertüch­ti­gung vor­han­de­ner LRT sieht die WVO deren „erneu­te Eta­blie­rung“ (Neu­an­sied­lung) vor. Auch in die­sem Sin­ne sind schritt­wei­se Wie­der­her­stel­lungs­maß­nah­men ent­spre­chend der vor­ge­nann­ten Zeit­ho­ri­zon­te vor­ge­se­hen, bezo­gen jeweils auf (wach­sen­de) pro­zen­tua­le Antei­le an der „zusätz­li­chen Flä­che, die erfor­der­lich ist, um die güns­ti­ge Gesamt­flä­che für jede […] Grup­pe von [LRT] zu errei­chen […]“ (Art. 4 Abs. 4, 5 Abs. 2).  Es besteht die Mög­lich­keit, die Ziel­er­rei­chung auf einen über­wie­gen­den Teil der an und für sich erfor­der­li­chen Flä­che zu beschrän­ken (Art. 4 Abs. 5 u. 6, Art. 5 Abs. 3 u. 4). 

b. Wie­der­her­stel­lung und erneu­te Eta­blie­rung von Habitaten

In zwei­ter Linie haben die Mit­glied­staa­ten die Habi­ta­te von Arten ent­spre­chend den Anhän­gen der FFH- und Vogel­schutz­richt­li­nie wie­der­her­zu­stel­len, die erneu­te Eta­blie­rung ein­ge­schlos­sen, soweit dies für eine „aus­rei­chen­de Qua­li­tät und Quan­ti­tät“ die­ser Habi­ta­te erfor­der­lich ist (Art. 4 Abs. 7, Art. 5 Abs. 5). Auch hier geht es um einen gesamt­flä­chi­gen Ansatz. 

Die Bestim­mung der für die Wie­der­her­stel­lungs­maß­nah­men am bes­ten geeig­ne­ten Flä­chen muss auf der Grund­la­ge der „bes­ten ver­füg­ba­ren Kennt­nis­se“ und der „jüngs­ten wis­sen­schaft­li­chen Erkennt­nis­se“ bzw. des „jüngs­ten tech­ni­schen und wis­sen­schaft­li­chen Fort­schritts“ über den Zustand der jeweils maß­geb­li­chen LRT und der Qua­li­tät und Quan­ti­tät der Habi­ta­te erfol­gen (Art. 4 Abs. 8, 5 Abs. 6).

c. Ver­schlech­te­rungs­ver­bo­te 

Ergänzt wer­den die Wie­der­her­stel­lungs­pflich­ten um eine Kas­ka­de von sog. Ver­schlech­te­rungs­ver­bo­ten – eben­falls aus dem FFH-Gebiets­schutz­recht bekannt (vgl. Art. 6 Abs. 2 FFH-Richt­li­nie) und hier indes eine gesamträu­mi­ge Beach­tung for­dernd – in drei­fa­cher Hin­sicht: 

Ers­tens müs­sen die Mit­glied­staa­ten „Maß­nah­men ergrei­fen“, mit denen sicher­ge­stellt wer­den soll, dass sich der Zustand von Flä­chen, auf denen der gute Zustand von LRT und eine aus­rei­chen­de Qua­li­tät der Habi­ta­te durch die Wie­der­her­stel­lungs­maß­nah­men erreicht wur­de, nicht erheb­lich ver­schlech­tert (Art. 4 Abs. 11 UAbs. 2, Art. 5 Abs. 9 UAbs. 2). Die­ses Ver­schlech­te­rungs­ver­bot greift folg­lich erst in der Zukunft.

Zwei­tens müs­sen die Mit­glied­staa­ten spä­tes­tens zum Zeit­punkt der Ver­öf­fent­li­chung des natio­na­len Wie­der­her­stel­lungs­plans – die­se ist gemäß Art. 19 spä­tes­tens zum 1. Sep­tem­ber 2027 vor­ge­se­hen – „Maß­nah­men ergrei­fen“, die erfor­der­lich sind, um eine erheb­li­che Ver­schlech­te­rung des Zustands sol­cher Flä­chen, auf denen sich die geschütz­ten LRT (bereits) in einem guten Zustand befin­den, zu ver­hin­dern (Art. 4 Abs. 12 Alt. 1, Art. 5 Abs. 10 Alt. 1).

Drit­tens müs­sen die Mit­glied­staa­ten spä­tes­tens zum Zeit­punkt der Ver­öf­fent­li­chung des natio­na­len Wie­der­her­stel­lungs­plans „Maß­nah­men ergrei­fen“, die erfor­der­lich sind, um eine erheb­li­che Ver­schlech­te­rung des Zustands sol­cher Flä­chen, die für die Wie­der­her­stel­lung der LRT und Habi­ta­te erfor­der­lich sind, zu ver­hin­dern (Art. 4 Abs. 12 Alt. 2, Art. 5 Abs. 10 Alt. 2).   

Indes ist ein dif­fe­ren­zier­tes Aus­nah­me­re­gime vor­ge­se­hen, wobei grund­le­gend zwi­schen der Anwen­dung inner­halb und außer­halb von FFH-Gebie­ten zu unter­schei­den ist (sie­he dazu näher unter II.). 

Inner­halb der Aus­nah­me­tat­be­stän­de wer­den Anla­gen der erneu­er­ba­ren Ener­gie pri­vi­le­giert: Für sie wird fest­ge­legt, dass sie im über­ra­gen­den öffent­li­chen Inter­es­se lie­gen. Die Vor­aus­set­zung, dass kei­ne weni­ger schäd­li­che Alter­na­tiv­lö­sung gege­ben sein muss, fin­det kei­ne Anwen­dung, soweit eine Stra­te­gi­sche Umwelt­prü­fung (SUP) durch­ge­führt wur­de (Art. 6 Abs. 1). Die Mit­glied­staa­ten kön­nen die­se Pri­vi­le­gie­rung räum­lich und sach­lich beschrän­ken (Art. 6 Abs. 2).

2. Wie­der­her­stel­lungs­vor­ga­ben für spe­zi­el­le Gesichts­punk­te der Biodiversität

Die Wie­der­her­stel­lung von Land‑, Küsten‑, Süß­was­ser- und Mee­res­öko­sys­te­men wird durch zusätz­li­che Wie­der­her­stel­lungs­auf­trä­ge auf beson­de­ren Fel­dern der Bio­di­ver­si­tät ergänzt. Wie­der­um bedarf auch die Wie­der­her­stel­lung die­ser spe­zi­el­len Kom­po­nen­ten der pla­ne­ri­schen Kon­kre­ti­sie­rung im Wie­der­her­stel­lungs­plan, wobei im Ein­zel­nen Aus­nah­me­mög­lich­kei­ten vor­ge­se­hen sind:

  • Bis zum 31.12.2030 müs­sen die Mit­glied­staa­ten sicher­stel­len, dass in städ­ti­schen Öko­sys­te­men kein Net­to­ver­lust an der Gesamt­flä­che städ­ti­scher Grün­flä­chen und städ­ti­scher Baum­über­schir­mung gegen­über 2024 zu ver­zeich­nen ist. Ab dem 01.01.2031 müs­sen die Mit­glied­staa­ten einen stei­gen­den Trend bei städ­ti­schen Grün­flä­chen in städ­ti­schen Öko­sys­te­men errei­chen, z.B. „durch die Inte­gra­ti­on städ­ti­scher Grün­flä­chen in Gebäu­de und Infra­struk­tu­ren […]“, sowie einen stei­gen­den Trend in Bezug auf die städ­ti­sche Baum­über­schir­mung, jeweils bis ein „zufrie­den­stel­len­des Niveau“ erreicht ist (Art. 8).
  • Für das Ziel der Wie­der­her­stel­lung der natür­li­chen Ver­net­zung von Flüs­sen u.a. müs­sen die Mit­glied­staa­ten die Hin­der­nis­se ermit­teln, die zur Errei­chung der Wie­der­her­stel­lungs­zie­le gemäß Art. 4 und des „Ziels der Wie­der­her­stel­lung von min­des­tens 25 000 Fluss­ki­lo­me­tern in der Uni­on zu frei flie­ßen­den Flüs­sen bis 2030 bei­zu­tra­gen; dies gilt unbe­scha­det ent­spre­chen­der Vor­ga­ben der Was­ser­rah­men­richt­li­nie (WRRL) 2000/60/EG. Im Zuge der Wie­der­her­stel­lungs­pla­nung sind sog. „obso­le­te“ Hin­der­nis­se prio­ri­tär zu besei­ti­gen (Art. 9). 
  • Im Beson­de­ren müs­sen die Mit­glied­staa­ten durch recht­zei­ti­ge und wirk­sa­me Maß­nah­men bis 2030 den Rück­gang der Bestäu­ber­po­pu­la­tio­nen umkeh­ren und anschlie­ßend einen stei­gen­den Trend errei­chen, bis ein „zufrie­den­stel­len­des Niveau“ erreicht wor­den ist. Details zur Metho­de der Über­wa­chung wer­den durch dele­gier­ten Rechts­akt der Kom­mis­si­on gere­gelt (Art. 10).
  • Dar­über hin­aus wer­den die Mit­glied­staa­ten zudem zur Wie­der­her­stel­lung der bio­lo­gi­schen Viel­falt in land­wirt­schaft­li­chen Öko­sys­te­men ver­pflich­tet (Art. 11). Dazu zäh­len jeweils fris­ten­ge­bun­de­ne Ver­bes­se­run­gen für bestimm­te Indi­ka­to­ren (z.B. „Grün­land­schmet­ter­lin­ge“ etc.), mit dem Ziel eines „zufrie­den­stel­len­den Niveaus“, sowie des Index von Feld­vo­gel­ar­ten. Zudem müs­sen orga­ni­sche Böden, die land­wirt­schaft­lich genutzt wer­den und bei denen es sich um ent­wäs­ser­te Moor­bö­den han­delt, wie­der­her­ge­stellt wer­den. Hier­zu sind wie­der­um Maß­nah­men zu ergrei­fen, wobei mit den Jah­ren 2030, 2040 und 2050 ein anstei­gen­der Flä­chen­an­teil wie­der­vernässt wer­den muss. Klar­ge­stellt wird, dass pri­va­te Land­be­sit­zer selbst aus der WVO nicht ver­pflich­tet wer­den, unbe­scha­det des natio­na­len Rechts (Art. 11 Abs. 4 a.E.).
  • Schließ­lich müs­sen die Mit­glied­staa­ten Maß­nah­men zur Ver­bes­se­rung der bio­lo­gi­schen Viel­falt von Wald­öko­sys­te­men ergrei­fen (Art. 12 Abs. 1). Ins­be­son­de­re muss hier­zu beim Index von Wald­vo­gel­ar­ten (Anhang VI) ein Auf­wärts­trend und bei bestimm­ten Indi­ka­to­ren (z.B. ste­hen­des Tot­holz etc.) ein „zufrie­den­stel­len­des Niveau“ erreicht wer­den, erst­mals bis zum 31.12.2030, (Art. 12). 

3. Umfas­sen­der Planvorbehalt

Wie bereits erwähnt sind die vor­ge­nann­ten Pflich­ten und Zie­le über­wie­gend auf eine pla­ne­ri­sche Kon­kre­ti­sie­rung ange­wie­sen. Die Mit­glied­staa­ten wer­den daher ver­pflich­tet, einen natio­na­len Wie­der­her­stel­lungs­plan zu erstel­len, der der EU-Kom­mis­si­on zum 01.09.2026 im Ent­wurf vor­zu­le­gen und (spä­tes­tens) zum 01.09.2027 erst­mals zu ver­öf­fent­li­chen ist. Bestand­tei­le sind insbesondere:

  • Ermitt­lung und Quan­ti­fi­zie­rung der im Gebiet des Mit­glied­staats vor­han­de­nen LRT, die sich nicht in gutem Zustand befin­den (Art. 4 Abs. 1 i.V.m. Art. 14 Abs. 2 lit a), Art. 15 Abs. 3, Art. 3 Nr. 4), sowie der „güns­ti­gen Gesamt­flä­che“ der geschütz­ten LRT, ins­be­son­de­re zwecks erneu­ter Eta­blie­rung von LRT (Art. 4 Abs. 4 u. 17 i.V.m. Art. 14 Abs. 2 lit. a), 15 Abs. 3, Art. 3 Nr. 8).
  • Ermitt­lung und Quan­ti­fi­zie­rung der für die Errei­chung ihres güns­ti­gen Erhal­tungs­zu­stands not­wen­di­gen aus­rei­chen­den Qua­li­tät und Quan­ti­tät der Habi­ta­te (Art. 4 Abs. 7 u. 17 i.V.m Art. 14 Abs. 2 lit b), Art. 15 Abs. 3, Art. 3 Nr. 2, 9 u. 10).
  • Fixie­rung der Zeit­ho­ri­zon­te für die Ziel­er­rei­chung (s.o.) und Begrün­dung für die Inan­spruch­nah­me von abge­schwäch­ter Ziel­er­rei­chung ent­spre­chend der Aus­nah­me­mög­lich­kei­ten (Art. 15 Abs. 1 u. 3).
  • Beschrei­bung der zur Errei­chung der Wie­der­her­stel­lungs­zie­le geplan­ten oder ergrif­fe­nen Maß­nah­men, unter Ein­schluss der bereits aus Grün­den des FFH-Gebiets­schutz­rechts und der Bewirt­schaf­tungs­zie­le der WRRL sowie wei­te­rer Umwelt­qua­li­täts­pla­nun­gen geplan­ten Maß­nah­men (Art. 15 Abs. 3 lit. c) u. n)).
  • Beschrei­bung der Maß­nah­men, die von dem Mit­glied­staat zur Ver­hin­de­rung einer Ver­schlech­te­rung des Zustands der Flä­chen von geschütz­ten LRT oder aber Habi­ta­ten von geschütz­ten Arten ergrif­fen wer­den (Art. 15 Abs. 3 lit. f) u. h)) und Beschrei­bung der Art und Wei­se der Inan­spruch­nah­me von gene­rel­len Aus­nah­men hin­sicht­lich der Ver­schlech­te­rungs­ver­bo­te außer­halb von FFH-Gebie­ten im Hoheits­ge­biet (s. dazu unter II.) und der jeweils zu ergrei­fen­den Kom­pen­sa­ti­ons­maß­nah­men (Art. 15 Abs. 3 lit. g)).
  • Bestim­mung der städ­ti­schen Öko­sys­tem­ge­bie­te (Art. 14 Abs. 4), Ver­zeich­nis der künst­li­chen Hin­der­nis­se für die Ver­net­zung von Ober­flä­chen­ge­wäs­sern (Art. 15 Abs. 3 lit. i)), Ermitt­lung und Kar­tie­rung der land- und forst­wirt­schaft­li­chen Flä­chen, die der Wie­der­her­stel­lung bedür­fen (Art. 14 Abs. 6), Fest­le­gung des jewei­li­gen „zufrie­den­stel­len­den Niveaus“ (Art. 14 Abs. 5) usw.

Die Öffent­lich­keit und Betrof­fe­ne müs­sen bei der Erstel­lung der Plä­ne ein­ge­bun­den wer­den (Art. 14 Abs. 1 und 20). Für die ers­ten Über­prü­fungs­zeit­räu­me kann sich der natio­na­le Wie­der­her­stel­lungs­plan – wohl in Anbe­tracht des recht ambi­tio­nier­ten Zeit­plans – auf einen „stra­te­gi­schen Über­blick“ über die vor­ge­nann­ten Punk­te beschrän­ken (Art. 15 Abs. 2 WVO).

II. Aktu­el­le Fra­gen und Aus­wir­kun­gen, ins­be­son­de­re für die Vorhabenzulassung

Ersicht­lich sol­len die Zie­le der WVO struk­tu­rell durch Unter­stüt­zung und Ergän­zung bestehen­der Richt­li­ni­en (FFH-RL, WRRL) erreicht wer­den, die WVO soll die­sen Richt­li­ni­en „neu­en Schub“ geben, so das Bun­des­um­welt­mi­nis­te­ri­um. In Bezug auf die Zie­le der FFH-RL liegt dies beson­ders nahe: Nicht nur wer­den FFH-LRT nun­mehr auch außer­halb von FFH-Gebie­ten geschützt. Ins­be­son­de­re wer­den erst­mals Wie­der­her­stel­lungs­fris­ten vor­ge­se­hen. 

Die WVO ver­pflich­tet die Behör­den: Die WVO ist ein wei­te­res Bei­spiel für eine soge­nann­te Maß­nah­men­pla­nung, wie sie aus ande­ren Berei­chen des euro­päi­schen Umwelt­rechts bekannt ist (WRRL, Luft­qua­li­täts­richt­li­nie und FFH-RL). Inso­weit wer­den raum­be­zo­ge­ne Zie­le vor­ge­ge­ben, die durch mit­glied­staat­li­che – behörd­li­che – Pla­nung von Maß­nah­men (und nach­fol­gen­dem Voll­zug) erreicht wer­den müs­sen. Dabei besteht hin­sicht­lich der zu ergrei­fen­den Maß­nah­men ein erheb­li­cher Gestal­tungs­spiel­raum der Mit­glied­staa­ten („Anre­gun­gen“ fin­den sich indes in Anhang VII der WVO). Der vom natio­na­len Gesetz­ge­ber bereit­ge­stell­te „Instru­men­ten­kas­ten“ umfasst inso­weit regel­mä­ßig z.B. ord­nungs­recht­li­che Maß­nah­men (Geneh­mi­gungs­vor­be­hal­te u.a.), raum­ord­nungs­recht­li­che Fest­le­gun­gen oder denk­bar auch Instru­men­te indi­rek­ter Ver­hal­tungs­steue­rung. Dass die Maß­nah­men­pla­nung eine anspruchs­vol­le Auf­ga­be beinhal­ten kann, zei­gen die bekann­ten Ziel­ver­feh­lun­gen für die Gewäs­ser- oder Luft­qua­li­tät (ins­be­son­de­re der Streit um „Die­sel-Fahr­ver­bo­te“ in deut­schen Städ­ten).  

Dabei wirft die neue Ver­ord­nung zuvör­derst insti­tu­tio­nel­le Fra­gen der natio­na­len (gesetz­li­chen) Umset­zung auf: Die zen­tra­lis­ti­sche Aus­rich­tung der Pla­nung auf den Mit­glied­staat ins­ge­samt steht in Wider­spruch zur Pla­nungs­ho­heit der Län­der. Von daher wird von Beob­ach­tern die Schaf­fung eines „Durch­füh­rungs­ge­set­zes“ für not­wen­dig erach­tet. Inso­weit dürf­te – ähn­lich zu der Vor­ge­hens­wei­se beim Maß­nah­men­pro­gramm nach der WRRL – z.B. in Betracht kom­men, dass die Län­der die Maß­nah­men­pla­nung jeweils für ihre Ter­ri­to­ri­en durch­füh­ren und die­se mit ande­ren Län­dern koor­di­nie­ren; die­se „Teil­pla­nun­gen“ erge­ben dann zusam­men­ge­setzt den natio­na­len Wie­der­her­stel­lungs­plan. Zwin­gend erfor­der­lich dürf­te ins­be­son­de­re eine Auf­tei­lung des zur Wie­der­her­stel­lung der Öko­sys­te­me jeweils erfor­der­li­chen Rena­tu­rie­rungs­um­fangs auf die Län­der wer­den; hier dürf­ten geset­zes­vor­be­rei­tend in erheb­li­chem Umfang Abstim­mun­gen not­wen­dig wer­den. Abzu­war­ten bleibt zudem, inwie­weit die vor­han­de­ne Daten­grund­la­ge (z.B. aus dem Moni­to­ring von FFH-Gebie­ten) hier­für aus­reicht oder ergän­zen­de Ermitt­lun­gen erfor­der­lich werden.

Die Aus­wir­kun­gen des natio­na­len Wie­der­her­stel­lungs­plans für die Pla­nungs- und Geneh­mi­gungs­pra­xis kon­kre­ter Vor­ha­ben (z.B. plan­fest­stel­lungs­pflich­ti­ge Infra­struk­tur­vor­ha­ben) dürf­ten in ers­ter Linie davon abhän­gen, inwie­weit dem natio­na­len Wie­der­her­stel­lungs­plan bzw. ent­spre­chen­den Teil­plä­nen nach dem „Durch­füh­rungs­ge­setz“ Außen­wir­kung zukom­men wird. Geht man – par­al­lel zu den was­ser­wirt­schaft­li­chen Maß­nah­men­pro­gram­men – ledig­lich von einer Behör­den­ver­bind­lich­keit aus, dürf­ten kon­kre­te Vor­ha­ben maß­geb­lich über Ermes­sens- oder Abwä­gungs­klau­seln im Rah­men der jewei­li­gen Plan­fest­stel­lungs- oder sons­ti­gen Geneh­mi­gungs­tat­be­stän­de mit­tel­bar an die Vor­ga­ben der Wie­der­her­stel­lungs­pla­nung gebun­den sein. Zu einem schär­fe­ren Schwert und ggf. auch Geneh­mi­gungs­hin­der­nis könn­te hier die Frucht­bar­ma­chung des Raum­ord­nungs­rechts füh­ren. Denk­bar ist z.B. die Fest­le­gung von Vor­rang­ge­bie­ten für Rena­tu­rie­rungs­zie­le (z.B. Vernäs­sung) in Raum­ord­nungs­plä­nen, die im Rah­men etwa von Plan­fest­stel­lungs­ver­fah­ren für eine kon­kur­rie­ren­de Land­nut­zung als zwin­gen­des Recht zu beach­ten wären. 

Schließ­lich stellt sich für die Ebe­ne der Vor­ha­ben­zu­las­sung die Fra­ge, wel­che Bedeu­tung die soge­nann­ten Ver­schlech­te­rungs­ver­bo­te – inso­weit betref­fend die Wie­der­her­stel­lung von LRT und Habi­ta­ten – ent­fal­ten. Bekann­ter­ma­ßen hat der EuGH in sei­nem Urteil zur Weser­ver­tie­fung im Jahr 2015 das was­ser­recht­li­che Ver­schlech­te­rungs­ver­bot nach der WRRL recht streng und plan­un­ab­hän­gig aus­ge­legt, dahin­ge­hend, dass ein Vor­ha­ben schlicht zu kei­ner­lei Ver­schlech­te­rung des aktu­el­len Ist-Zustands eines Gewäs­sers füh­ren darf. Im FFH-Gebiets­schutz­recht zeig­te sich eine ähn­lich stren­ge Linie bei der Dis­kus­si­on um Baga­tell­schwel­len für Stick­stoff­ein­trä­ge. Frag­lich ist, ob für die Umset­zung der WVO nun­mehr Ähn­li­ches zu erwar­ten steht. Ein­zu­hal­ten sind die Ver­schlech­te­rungs­ver­bo­te zum Zeit­punkt der Ver­öf­fent­li­chung des natio­na­len Wie­der­her­stel­lungs­plans, d.h. regu­lär zum 01.09.2027. Inso­weit dürf­ten die Ver­schlech­te­rungs­ver­bo­te – wie im Fal­le der WRRL – grund­sätz­lich plan­un­ab­hän­gig Gel­tung bean­spru­chen. Unklar erscheint der­zeit, in wel­chem Umfang in Deutsch­land von der Rela­ti­vie­rungs­mög­lich­keit außer­halb von FFH-Gebie­ten Gebrauch gemacht wer­den soll. Betref­fend die Wie­der­her­stel­lung von Land‑, Küs­ten- und Süß­was­ser­öko­sys­te­men sind die Mit­glied­staa­ten befugt, den Bezugs­punkt für die erheb­li­che Ver­schlech­te­rung von LRT und Habi­ta­ten gene­rell auf die Betrach­tungs­ebe­ne der jewei­li­gen bio­geo­gra­fi­schen Regi­on ihres Hoheits­ge­biets „hoch­zu­zo­nen“ (Art. 4 Abs. 13). Vor­aus­set­zung ist indes, dass es kei­ne Alter­na­ti­ven gibt und die Mit­glied­staa­ten bereits bis spä­tes­tens zum 19.02.2025 gegen­über der Kom­mis­si­on mit­tei­len, dass die­se Aus­nah­me ange­wen­det wer­den soll; dabei muss (im Wie­der­her­stel­lungs­plan, s. unter I.3.) erläu­tert wer­den, wie die erheb­li­chen Ver­schlech­te­run­gen der jewei­li­gen (kon­kre­ten) Flä­chen – als wei­te­re Aus­nah­me­vor­aus­set­zung – aus­ge­gli­chen wer­den sol­len u.a. Hier sind meh­re­re Detail­fra­gen zum „Ob“ und „Wie“ der frist­ge­rech­ten Mit­tei­lung noch klä­rungs­be­dürf­tig. Im Übri­gen dürf­ten sich die Ver­schlech­te­rungs­ver­bo­te aber grund­sätz­lich als ver­gleichs­wei­se weni­ger streng erwei­sen. Dies gilt nicht nur für einer SUP unter­zo­ge­ne Netz­aus­bau­pro­jek­te oder ande­re Vor­ha­ben der erneu­er­ba­ren Ener­gie, für die die Aus­nah­me­tat­be­stän­de kraft Geset­zes als erfüllt gel­ten (s. unter I.1.c). Viel­mehr gel­ten die Ver­schlech­te­rungs­ver­bo­te über­wie­gend allein für den Fall, in dem bereits ein guter Zustand vor­han­den ist und inso­weit dem Wort­laut nach nur für „erheb­li­che“ Ver­schlech­te­run­gen, was Spiel­räu­me las­sen dürfte.

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